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Annapolis:
Hoffnung auf Frieden oder ein weiterer missglückter
Vermittlungsversuch?
Arnold H. KAMMEL
Der amerikanische Präsident, George W. Bush, bekam bei der
Nahostkonferenz in Annapolis Ende November 2007 was er wollte: große
internationale Präsenz, einen historischen Handschlag zwischen den Rivalen und
ein wenig Applaus für das Faktum, außenpolitisch im Nahen und Mittleren Osten
etwas richtig gemacht zu haben. Um jedoch sein Ziel, die Region zu befrieden, zu
erreichen, müssen den diplomatischen Formalitäten substantielle Ergebnisse
folgen.1
Bei näherer Betrachtung ist festzuhalten, dass die
Nahostkonferenz von Annapolis einen gemischten Eindruck hinterlässt. Die
Tatsache, dass zwischen Israel und den Palästinensern nach vielen Jahren der
Gewalt erstmals wieder Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Konflikts
geführt werden, ist positiv zu werten. Auch signalisiert die Konferenz eine neue
Dynamisierung der Nahostpolitik der amerikanischen Administration, die dem
israelisch-palästinensischen Konflikt zuvor wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte
und insbesondere den Irak als entscheidenden Faktor zur Lösung des
Nahostproblems angesehen hatte.
Nach Venedig, Madrid, Oslo, den beiden Runden von Camp David,
Taba und einer Vielzahl von Friedensplänen, war die Konferenz von Annapolis die
erste internationale Nahostkonferenz seit 1991. Delegationen von rund 50 Staaten
und internationalen Organisationen waren vertreten. Besonderes Gewicht hatte die
Anwesenheit von 16 arabischen Staaten, die damit die Bedeutung des Treffens für
eine regionale und umfassende Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts
unterstrichen. Positiv festzuhalten ist, dass zumindest die Verfahren und die
Methodik der Friedensverhandlungen verbessert wurden. Zwar ist die „Road Map"
des Nahost-Quartetts nach wie vor Grundlage der Friedensbemühungen. Deren
umstrittene Stufenregelung wurde aber aufgegeben. Statt vertrauensbildende
Maßnahmen in Form einer effektiven palästinensischen Bekämpfung des Terrorismus
und eines israelischen Siedlungsstopps zur Voraussetzung für
Endstatusverhandlungen zu machen, finden nun beide Prozesse parallel statt.
Nunmehr übernehmen die USA eine Schiedsrichterfunktion bezüglich der Umsetzung
der „Road Map". 2
Innenpolitisch geschwächt, außenpolitisch aktiv
Annapolis gibt aber auch Anlass zu Skepsis. So wurde das
ursprünglich von der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice angestrebte
Konferenzergebnis deutlich verfehlt, denn anders als in den bisherigen
Friedensverhandlungen wollten die amerikanischen Gastgeber diesmal eine
israelisch-palästinensische Annäherung in den zentralen Streitpunkten –
Grenzfragen, Status von Jerusalem, palästinensische Flüchtlinge, israelische
Sicherheit – bereits vor Konferenzbeginn erzielen. Dieses Vorhaben scheiterte.
Anstatt der internationalen Gemeinschaft in Annapolis ein Grundlagendokument mit
substantiellen Kompromissen in Endstatusfragen vorlegen zu können, wurde in
letzter Minute zumindest eine gemeinsame Erklärung 3
erzielt, in der die Konfliktparteien ihre Bereitschaft verkündeten, neue
Friedensgespräche aufzunehmen.
Das Timing der Friedensverhandlungen war insbesondere bei
Betrachtung der innenpolitischen Legitimation und des Rückhalts der beteiligten
Akteure unglücklich. Mit Olmert, Abbas und Bush waren und sind die zentralen
Akteure der Friedensgespräche innenpolitisch geschwächt. Der von den USA
initiierte Annapolis-Prozess liegt jedoch gerade aus diesen Gründen sowohl im
Interesse Olmerts als auch Abbas’. Die Palästinenser sind geteilt, Präsident
Mahmoud Abbas verlor den Gazastreifen an die nicht zur Konferenz in Annapolis
eingeladene Hamas, was seine Position nicht stärkte. Für den Palästinenserführer
waren die Friedensgespräche zu einer politischen Überlebensfrage geworden. Seine
Notstandsregierung hat nur wenig bis keine Kontrolle über die Palästinenser in
Gaza und ist im Westjordanland nur begrenzt handlungsfähig und leidet an einem
Legitimitätsdefizit, denn nach dem Scheitern der nationalen Einheitsregierung
mit der Hamas im Juni 2007 wurde auch von Abbas konsequent die Spaltung der
Palästinenser mitgetragen. Auch Ehud Olmerts politische Rückendeckung ist
gering, seine Regierung wackelig. Olmert benötigte daher eine neue
Friedensvision, um der seit dem Libanonkrieg 2006 stark verunsicherten
israelischen Bevölkerung neue Perspektiven bieten zu können. Die Ereignisse um
die Militärintervention im Libanon, gepaart mit innenpolitischen Skandalen,
ließen seine Popularität in Israel dramatisch sinken. Raketenangriffe durch die
Hisbollah und die Hamas aus dem Südlibanon und Gaza zeigten deutlich, dass eine
einseitige Festlegung der Grenzen ohne Absprache mit den arabischen Nachbarn
keine Sicherheit bieten kann. Mit einem neuen Friedensprozess versprach sich
Olmert zudem einen internationalen Popularitätsgewinn Israels, auch wenn er im
eigenen Land mit heftigem Widerstand gegen allzu große Zugeständnisse an die
Palästinenser konfrontiert ist.
Fast scheint es, als hätten Abbas und Olmert weniger
Probleme, miteinander zu sprechen, als mit ihren jeweiligen politischen
Gesinnungskollegen, auch wenn sich Abbas in der wohl prekärsten Situation der
drei Hauptbeteiligten befand, da jegliches Ergebnis zu Widerständen in den
eigenen Reihen führte. US-Präsident Bushs Beliebtheit im letzten Amtsjahr hält
sich insbesondere aufgrund der Situation im Irak in den USA in Grenzen, weshalb
ihm die Annapolis-Konferenz als Forum gelegen kam, außenpolitische Erfolge zu
erzielen.
Zur Koalition der Geschwächten und Bedrängten gehören aber
auch die in Annapolis anwesenden arabischen Staaten. Zusätzlich zur äußeren
Bedrohung durch den Aufstieg der Schiiten sehen sich die säkularen sunnitischen
Herrscher immer mehr mit islamistischen Herausforderungen im Inneren
konfrontiert. Den Niedergang des arabischen Nationalismus führen sie nicht
zuletzt auf den seit sechs Jahrzehnten ungelösten Nahostkonflikt zurück, weshalb
sie in den letzten Jahren ihre Vermittlungsbemühungen intensivierten. 4
Insbesondere Saudi Arabien hoffte daher durch eine Teilnahme an der
Annapolis-Konferenz nicht nur die USA zu besänftigen, sondern auch die Probleme
mit dem radikalen Islam und dem Iran in den Griff zu bekommen.
Neue Konsultationsmechanismen
Trotz aller Schwierigkeiten haben sich Olmert und Abbas unter
der Schirmherrschaft von Bush und mit der Unterstützung der internationalen
Gemeinschaft am 27. November 2007 auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt.
Oberstes Ziel ist demnach die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung gemäß der „Road
Map". Den Weg dorthin soll ein Steering Committee bestehend aus den israelischen
und den palästinensischen Verhandlungsführern ebnen, das am 12. Dezember 2007
zum ersten Mal zusammentrat. Dieser Prozess wird auf israelischer Seite von
Außenministerin Tzipi Livni und auf palästinensischer Seite vom ehemaligen
Ministerpräsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, Ahmed Qorei,
angeführt. Zwischen Olmert und Abbas sind alle zwei Wochen Treffen geplant.
Zwei-Staaten-Lösung noch im Jahr 2008
„Zwei Staaten für zwei Völker", so lautet die in Annapolis
getroffene Formel. Bis Ende 2008, so das in Annapolis formulierte Ziel, soll
zwischen Israel und Palästina ein gemeinsames Abkommen zur Zwei-Staaten-Regelung
unterzeichnet sein. Die USA werden in Ausübung ihrer Schiedsrichterfunktion den
Prozess während dieser Zeit überwachen. Russland unter Präsident Putin hat
ebenfalls seine Ambitionen, zu einer Lösung beizutragen, unterstrichen und hat
zu einer Nachfolgekonferenz 2008 in Moskau eingeladen. Die wohl wichtigste
Neuerung von Annapolis liegt im verstärkten amerikanischen Engagement für einen
politischen Neubeginn im Nahen Osten, nach mittlerweile siebenjähriger
Abstinenz. Als Verlierer ist die EU zu nennen, deren Bedeutung als Akteur und
Mittler zur Lösung des Nahostkonflikts schwand.
Die gemeinsame Annapolis-Erklärung hat jedoch auch einen
Haken. Sie löst das angestrebte Friedensabkommen 2008 von seiner
Implementierung, da die Umsetzung eines zukünftigen Friedensabkommens der
Umsetzung der „Road Map" unterworfen wird. Dies ist nach Ansicht der Kritiker
jedoch nur die Interpretation der USA und erfolgt ohne jeden konkreten Zeitplan
oder klare Kriterien. Ob die auf Papier festgehaltenen Ziele, wie der Stopp des
Siedlungsbaus oder das Vorgehen gegen Terroristen wirklich eingehalten werden,
hängt somit nicht nur vom guten Willen der beiden Konfliktparteien ab, sondern
auch von der amerikanischen Interpretation der weit gefassten Ziele. Außerdem
fehlt in der Schlusserklärung jegliche Referenz auf die einschlägigen UNO
Resolutionen, die bisher als der völkerrechtliche Rahmen für eine Lösung des
Konflikts galten. 5
Schlussfolgerungen
Auch wenn die Rahmenbedingungen für die Annapolis-Konferenz
alles andere als erfolgsversprechend waren, wurde mit Annapolis doch ein Schritt
in die richtige Richtung gesetzt und eine neue Phase im
israelisch-palästinensischen Friedensprozess eingeleitet. Zwischen beiden
Parteien wurde vereinbart, sich gemeinsam für den Frieden einzusetzen. Doch ist
zu bedenken, dass seit den Abkommen von Camp David im Jahr 1978 zahlreiche
Friedensversuche unternommen wurden, deren Resultate jedoch mäßig sind. Die
Annapolis-Konferenz reiht sich in den Rahmen der „Road Map" ein, die, 2003
verabschiedet, die Schaffung eines palästinensischen Staates in einem Zeitraum
von drei Jahren vorsieht. Der Status von Jerusalem, die Rückkehr der
Flüchtlinge, Grenzstreitigkeiten, der Zugang zu Wasser und wirtschaftliche
Zusammenarbeit sind jedoch noch immer entscheidende Fragen, deren Beantwortung
für die Zukunft des Friedensprozesses von zentraler Bedeutung. Bei diesen
Punkten wurde zwischen den Parteien keine Übereinkunft erzielt, womit die
Möglichkeit, einen Kompromiss in diesen Bereichen zu finden, limitiert zu sein
scheint. Es bleibt in Bezug auf die Zwei-Staaten-Lösung festzuhalten, dass mit
der im Gazastreifen regierenden Hamas und der in Enklaven aufgeteilten Westbank
die Chancen auf einen in friedlicher Koexistenz mit Israel unabhängigen
Palästinenserstaat schwinden.
Betrachtet man die Zusammensetzung des Steering Committee für
die Umsetzung, so sieht man, dass die USA wieder die dominierende Position im
Friedensprozess eingenommen haben. Die EU, die in den letzten Jahren ihren
Einfluss verstärken konnte, beschränkt sich hingegen wieder verstärkt auf
wirtschaftliche und entwicklungspolitische Maßnahmen.
Annapolis war ein Startschuss, mehr nicht. Die Frage ist, in
welche Richtung sich der Friedensprozess im Nahen Osten entwickeln wird. Davon
hängt auch der Erfolg desselben ab.
2 Nach Annapolis: Fragiler Friedensprozess im Nahen Osten,
in: CSS Analysen zur Sicherheitspolitik, Nr. 25, Dezember 2007, 1.
3 Vgl. Joint Understanding, abrufbar unter
http://www.state.gov/p/nea/rls/95696.htm
4 Nach Annapolis: Fragiler Friedensprozess im Nahen Osten,
in: CSS Analysen zur Sicherheitspolitik, Nr. 25, Dezember 2007, 2.
5 Der Nahe Osten nach Annapolis. Letzte Chance für eine Zwei-Staaten-Lösung
von Knut Dethlefsen, in Friedrich Ebert Stiftung: Kurzberichte aus der
internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
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