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Jean Améry:
Ausgewählte Briefe.

Evelyn Adunka

Jean Améry: Ausgewählte Briefe.
Hg. von Gerhard Scheit. (= Werke. Hg. von Irene Heidelberger-Leonard. Bd. 8), Stuttgart: Klett Cotta 2007.
804 Seiten, Euro 34,00.-
ISBN 978-3-608-93568-4

Die vorliegende Ausgabe ausgewählter Briefe von Jean Améry ist ein überaus aufschlussreicher Kommentar zum Leben und Werk des großen österreichischen Schriftstellers und Essayisten. 1945 schrieb der Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und Bergen-Belsen, dessen erste Frau Regine Mayer-Berger 1944 starb, und der sich 1978 selbst das Leben nahm: „Glücklich werde ich in meinem Leben wohl kaum noch sein." Er plante die Rückkehr nach Österreich und bemerkte 1946, „das Herz zieht mich trotz alledem nach Österreich [...]."

Frappierend hellsichtig ist Amérys kritisches Urteil, etwa als er 1965 über das fragwürdige Buch von Hellmut Andics „Der ewige Jude" schrieb: „Auch ein offensichtlich wohlmeinender Mann wie dieser Andics kann sich nicht lösen aus dem antisemitischen österreichischen Geistesklima!"

Im gleichen Jahr lehnte der Suhrkamp Verlag die Veröffentlichung jener Essays ab, die dann 1966 unter dem Titel „Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten" vom heute vergessenen Szczesny Verlag publiziert wurden. Das Werk wurde zu einem klassischen Text und ist die eindringlichste psychologische Beschreibung der Folterungen während des Nationalsozialismus.

Ab den sechziger Jahren beeindrucken Amérys bis heute aktuelle Bekundungen seiner Solidarität mit Israel, besonders 1967 und 1973 trotz aller, wie sich herausstellte, berechtigten Skepsis über die israelischen Siege, und seine ebenfalls leider berechtigten Warnungen vor dem Antizionismus der Linken. So schrieb er 1967 an Ernst Fischer:

„[...] die Existenz Israels hat auch jenen Juden, die mit diesem Lande beziehungsweise mit dem jüdischen Glauben und der jüdischen Kultur gar nichts zu tun haben, ihre Selbstachtung zurückgegeben. Ich bin nicht glücklich darüber, aber es ist nun einmal so: für jeden Juden, sei er sogar ‚rassisch gemischt‘, hat die Existenz und Sicherheit Israels unter allen weltpolitischen Fragen die absolute Priorität."

Deutlich werden in der Edition, neben Amérys lebenslanger Verbundenheit mit Österreich, seine permanente ökonomische Unsicherheit sowie seine private Verstrickungen.

Als Améry in einem Brief einen Herrn „Stern von einer jüdischen Vereinigung ‚B‘nai B‘rith" erwähnt, erläutert der Herausgeber leider nicht, dass es sich dabei um Desider Stern handelte, über dessen Buchausstellung „Werke jüdischer Autoren deutscher Sprache", den gleichnamigen Katalog und umfangreiches Archivmaterial es leicht zugängliche Informationen und Literatur gegeben hätte.

 
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