Peter Singer, Mein Großvater. Die Tragödie der Juden von
Wien. Aus dem Englischen von Wolfdietrich Müller.
Hamburg-Leipzig-Wien: Europa Verlag 2005
292 Seiten, Euro 12,00.- / ISBN 3-203-82012-9
Peter Singer, geboren 1946 in Melbourne, ist ein sowohl
weltberühmter, als auch umstrittener Philosoph und Bioethiker. Er gilt als einer
der geistigen Väter der Tierrechtsbewegung und seine Theorien zur Euthanasie und
Sterbehilfe haben schon einige Kontroversen ausgelöst.
Hier hat Peter Singer sich aber einem ganz anderen Thema
zugewandt, nämlich einer Rekonstruktion der Lebensgeschichte seines Wiener
Großvaters mütterlicherseits, David Ernst Oppenheim.
Mehr als 100 Briefe schrieben David Oppenheim und seine Frau
an ihre nach Australien emigrierten Töchter, teilweise wurden diese von Adolf
Gaisbauer in dem Buch David Ernst Oppenheim: Von Eurem treuen
Vater David veröffentlicht. Bis dahin hatte Peter Singer sich kaum für
diesen Teil der Familiengeschichte interessiert, erst nachdem er einen
philosophischen Essay von David Oppenheim gelesen hatte, glaubte er darin eine
gedankliche Verbindung zu diesem unbekannten Großvater zu erkennen.
Durch Zufall fand Peter Singer weitere Briefe älteren Datums,
solche, die David Oppenheim noch während seiner Studienzeit geschrieben hatte,
ebenso unveröffentlichte Manuskripte. Das ermöglichte ihm sowohl überraschende
Einblicke in das private Leben von David Oppenheim, wie auch eine gute Kenntnis
von dessen wissenschaftlicher Arbeit.
David Oppenheim wurde 1881 in Brünn als Sohn des Sekretärs
der Israelitischen Kultusgemeinde geboren. Seine Vorfahren waren seit
Generationen als Rabbiner tätig gewesen, dazu gehörte auch David Oppenheim, der
berühmte Oberrabbiner von Prag.
Nach Abschluss seines Studiums der Altphilologie an der
Wiener Universität und Stellen am Wasa-Gymnasium, sowie einer Schule in
Nikolsburg (tschech. Mikulov) wurde David Oppenheim 1909 Lehrer am Akademischen
Gymnasium, wo er bis zu seiner Entlassung 1938 bleiben sollte. Wenn er sich auch
gegen eine Universitätslaufbahn entschieden hatte, so betrieb er doch weiterhin
wissenschaftliche Studien, vor allem in Psychologie, um wie er schrieb „das
Geheimnis der Menschenseele" zu erforschen. Das führte ihn zu den Vorlesungen
von Freud und er wurde Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Aber
es kam zum Bruch mit Freud, als er die Partei von Alfred Adler nahm, mit dem er
dann bis 1930 zusammen arbeitete.
1906 hatte David Oppenheim Amalie Pollak geheiratet. Sie war
ebenfalls die Tochter eines Rabbiners, hatte Mathematik und Physik studiert und
gehörte zu den ersten Frauen, die an der Wiener Universität promovieren konnten.
Das Familienleben endete mit dem „Anschluss". David
Oppenheims zwei Töchter konnten 1938 nach Australien fliehen, aber er selbst
glaubte zu diesem Zeitpunkt noch, dass ihn seine Kriegsauszeichnungen des
1.Weltkrieges vor einer Verfolgung durch die Nazis schützen würden. Von diesem
Glauben, konnten ihn auch besorgte Schüler, darunter Erwin Ringel, nicht
abbringen. So blieb er mit seiner Frau in Wien und in dieser Zeit der
zunehmenden Entrechtung mit all den Demütigungen gab es nur die Briefe der
Kinder als einzigen Lichtblick. 1942 wurde das Ehepaar nach Theresienstadt
deportiert, dort starb David Oppenheim 1943 an den furchtbaren
Lebensbedingungen. Nur Amalie konnte überleben und 1946 zu ihrer Familie nach
Australien übersiedeln.
Peter Singer hat keine traditionelle Biographie geschrieben,
er hat sich vor allem auf die Suche nach der Gedankenwelt seines Großvaters
begeben und wollte wissen, wie weit diese mit seiner eigenen übereinstimmt.