Die Toten ins Leben integrieren:
Das Komitee zur
Erhaltung des jüdischen Friedhofes Klosterneuburg – in memoriam Walter Lauber
Tina WALZER
Der jüdische Friedhof von Klosterneuburg ist, so wie fast
alle übrigen jüdischen Friedhöfe Österreichs, verwaist. Nun hat sich eine Gruppe
engagierter Privatleute gefunden, seine Rettung und dauerhafte Erhaltung in die
Hand zu nehmen.
Die jüdische Gemeinde von Klosterneuburg bildete sich mit
einem Bethausverein im Jahre 1852, vierzig Jahre später konstituierte sich dann
auch offiziell eine eigene Kultusgemeinde für den politischen Bezirk Tulln mit
Sitz in Klosterneuburg. Sie bestand bis zur NS-Zeit und erwarb im Laufe ihres
Bestehens eine Synagoge (1914 errichtet) und einen eigenen Friedhof. Da in den
Anfangsjahren der Gemeinde noch kein jüdischer Friedhof Klosterneuburg bestand,
mussten die Toten nach Wien, auf den damaligen offiziellen Beerdigungsplatz für
alle in und um Wien lebenden Juden, den jüdischen Friedhof Währing, überführt
werden. Tatsächlich waren dort nach dem aktuellen Forschungsstand zum Zeitpunkt
der ersten Inventarisierung um 1900 Grabmonumente für 6 Personen aus
Klosterneuburg bzw. Kierling aus der Zeit zwischen 1870 und 1878
(Nachbestattung) vorhanden.
Buchs, einst als Grabschmuck gepflanzt, aber seit Jahrzehnten
ungepflegt, überwuchert die Grabmonumente. Viele von ihnen sind unter den
dichten Stauden vollkommen verschwunden. Foto zur Verfügung gestellt vom Komitee
zur Erhaltung des Jüdischen Friedhofs Klosterneuburg
1874, mit der Eröffnung des Wiener Zentralfriedhofes, stellte
sich für die jüdischen Gemeinden die Frage nach neuen Beerdigungsplätzen akut.
Der jüdische Friedhof Währing wurde geschlossen, die Israelitische
Kultusgemeinde Wien nahm Verhandlungen mit der Gemeinde Wien um Überlassung
eines Teiles des neuen Zentralfriedhofes zwecks Anlage eines jüdischen
Friedhofes auf. Dieser wurde dann tatsächlich bei Tor 1 eingerichtet. Zur
gleichen Zeit erwarb auch der Bethausverein Klosterneuburg ein Grundstück in der
Holzgasse in Klosterneuburg und errichtete eine Zeremonienhalle sowie eine
Friedhofsmauer. Bereits im Frühjahr 1874 konnte der Friedhof eröffnet werden.
Nach der Gründung der Kultusgemeinde Tulln konstituierte sich die „Israelitische
Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa Klosterneuburg", in deren Eigentum der
jüdische Friedhof Klosterneuburg dann übertragen wurde. In der NS-Zeit
enteignet, wurde das Areal nach 1945 an die Wiener Chewra Kadischa restituiert,
denn die Klosterneuburger Gemeinde war vertrieben, ausgelöscht. Der jüdische
Friedhof Klosterneuburg war verwaist. Die Rechtsnachfolgerin der IKG Tulln, die
IKG Wien, war als Rechtsnachfolgerin auch der anderen vernichteten jüdischen
Gemeinden Niederösterreichs und des Burgenlandes von Beginn an mit der
Wiederinstandsetzung und laufenden Pflege der mehr als 42 jüdischen
Provinzfriedhöfe überfordert. Der jüdische Friedhof Klosterneuburg verfiel
zusehends. Zu den Zerstörungen der NS-Zeit gesellten sich Schäden durch
ungehinderten Wildwuchs, Witterungseinflüsse und Vandalismus. Noch 2001 bot der
Friedhof im Rahmen der Erhebungen für das „Weißbuch über Pflegezustand und
Sanierungserfordernisse der jüdischen Friedhöfe in Österreich" einen mehr als
traurigen Anblick. Bei einer Begehung anlässlich der Aktualisierung des
„Weißbuches" im Mai 2008 konnten allerdings bedeutende Verbesserungen
festgestellt werden: Das Areal machte einen wesentlich gepflegteren Eindruck.
Blick auf den Eingang zum östlichen Teil des Friedhofsareals.
Die an das Tor anschließende, baufällige Zeremonienhalle wurde 2007 auf
Initiative des Komitees zur Erhaltung des Jüdischen Friedhofs Klosterneuburg
abgetragen. Die Mauer soll nun wieder geschlossen werden, um die Einfriedung zu
vervollständigen. Foto: Tina Walzer
Die Trendwende ist einer Gruppe hilfsbereiter
Klosterneuburger zu verdanken, die im Frühjahr 2007 beschlossen hatte, den
jüdischen Friedhof zu retten und für Reparaturarbeiten und gärtnerische Pflege
zu sorgen. Seither kann der Verein „Komitee zur Erhaltung des jüdischen
Friedhofes Klosterneuburg – in memoriam Walter Lauber" bereits auf einen äußerst
erfolgreichen Tätigkeitszeitraum zurückblik-ken. Neben dem Abriß der nicht mehr
zu rettenden Zeremonienhalle wurden zunächst vor allem wissenschaftliche
Forschungen aufgenommen, um Geschichte und Belegung des Areals zu
rekonstruieren. Am 26. Mai 2008 konnte dann auch mit der Sanierung erster Gräber
begonnen werden.
Der Abriß der Zeremonienhalle. Foto zur Verfügung gestellt vom
Komitee zur Erhaltung des Jüdischen Friedhofs
Klosterneuburg
Namensgeber des Vereines wurde Walter Lauber, s. A. Sein
Begräbnis auf dem jüdischen Friedhof Klosterneuburg am 13. 9. 2006 war
ausschlaggebend für die ersten Pläne zur Errichtung eines Friedhofsvereines. Er
selbst war am 14. August 1918 in Wien auf die Welt gekommen und besuchte dort
die Schule, war Mitglied im jüdischen Sportverein „Hakoah" und dort sogar
Jugend-Nationalmeister im Speerwerfen. 1938 änderte sich die Lage der Familie
dramatisch. Wohl konnten noch Pässe organisiert werden, doch für Walter Laubers
Vater kam die Hilfe zu spät. Er starb noch im Dezember 1938 an den Folgen jener
Verletzungen, die ihm in der Pogromnacht zugefügt worden waren. Auch sein
älterer Bruder überlebte den NS-Terror nicht; nach Frankreich geflüchtet, kam er
ins Lager Drancy und wurde von dort nach Auschwitz deportiert, wo er umkam.
Laubers Mutter konnte mit seinen Zwillingsschwestern nach London flüchten.
Walter Lauber selbst gelang gemeinsam mit einem Cousin die Flucht über die Berge
in die Schweiz und weiter nach Frankreich, wo er es schaffte, aus einem
Internierungslager zu flüchten und eines der letzten Schiffe Richtung USA zu
erreichen. Dort lebte er in New York und kehrte 1942 als Freiwilliger der US-Army
nach Europa zurück. Kurz vor Kriegsende in Italien schwer verletzt, lernte er
während seiner langjährigen Rekonvaleszenz seine spätere Frau Cilli kennen, die
ebenfalls aus einer Wiener jüdischen Familie stammte und 1938 verfolgt,
enteignet und vertrieben worden war. Nach der Hochzeit in New York 1948
entschied sich das Ehepaar, für immer nach Wien zurückzukehren. Viele Jahrzehnte
später beschloß seine Enkelin, Miriam Karner, aktiv für das Erinnern an die
jüdische Vergangenheit ihres Landes einzutreten. „Wir möchten die Toten ins
Leben integrieren", sagt sie: „Ein Friedhof muß kein trauriger Ort sein, auch er
gehört zum Leben. Die Geschichten der Menschen dort sollen erzählt werden
können." Unterstützt wird Miriam Karner dabei von der engagierten Gemeinderätin
der Grünen in Klosterneuburg, Martina Enzmann. Für den Vereinsvorstand konnten
Universitätsprofessor Gustav Spann und der Retter des jüdischen Friedhofes
Floridsdorf, Erich Sinai, sowie einige weitere interessierte Klosterneuburger
gewonnen werden. Der Generalsekretär der IKG Wien, Raimund Fastenbauer, fand
sich als Mitglied des Beirates bereit. Die Stadtgemeinde Klosterneuburg fördert
die Projekte des Vereines.
Der DAVID wünscht dem Verein „Komitee zur Erhaltung des
jüdischen Friedhofes Klosterneuburg – in memoriam Walter Lauber" weiterhin viel
Erfolg!
Information:
www.juedischerfriedhof.at
Spendenkonto:
Komitee zur Erhaltung des Jüdischen Friedhofs Klosterneuburg
Raiffeisen Bank Klosterneuburg
Bankleitzahl 32367
Kontonummer 34.694
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