Als Derwisch verkleideter
Orientreisender, Freund Theodor Herzls und Ideengeber für den Dracula-Roman
Das 19. Jahrhundert war die Zeit
der großen Abenteurer und Forschungsreisenden, Männer wie die Afrikaforscher Sir
Henry Morton Stanley, Dr. David Livingston oder Sir Richard Francis Burton
reisten auf abenteuerliche Weise in bis dahin unbekannte und fremde Länder,
erforschten diese und beschrieben in spannenden Reiserzählungen das Erlebte.
Einer dieser großen Abenteurer war
der Orientalist, Turkologe und Gelehrte Hermann Bamberger, der sich später
Arminius Vambery nannte, damals eine bekannte Persönlichkeit in ganz Europa,
heute fast vergessen.
Vambery war einer der ersten
Europäer, der als Derwisch verkleidet nach Zentralasien reiste.
Seine Kontakte in die höchsten
Kreise Europas, vor allem zum englischen Königshof ließen oft vermuten, dass er
möglicherweise ein Geheimagent sei.
Vambery galt als Vorbild und
Freund anderer Forschungsreisender wie des Geographen Ferdinand Freiherr von
Richthofen, des englischen Abenteurers Sir Richard Burton oder Sven Hedins und
inspirierte Bram Stoker zu dessen Gruselroman „Dracula".
Es ist heute sehr schwierig,
Literatur von ihm oder über ihn zu finden. Dennoch gibt es Möglichkeiten dem
großen Abenteurer Arminius Vambery zu begegnen.
Ein Großonkel übergab mir einmal
ein Büchlein über seine Zeit bei einer holländischen Widerstandsbewegung im
Zweiten Weltkrieg, während der er den Decknamen Vambery benutzt hatte.
Auf den Namen angesprochen,
erzählte er über die Abenteuer und Reisen dieses Mannes und dass Vambery der
Cousin seiner Grossmutter gewesen sei.
Kurze Lebensgeschichte
Bei jeder Sache ist das Wissen
mehr wert als die Unwissenheit (osmanischer Spruch, in „Sittenbilder aus dem
Morgenlande")
Arminius Vambery alias Hermann
Vambery alias Armin Vambery, eigentlich Hermann Bamberger, strebte sein Leben
lang nach Wissen über Völker, Kulturen, Religionen, Bräuche, Sprachen und nach
vielem mehr.
Geboren wurde Arminius Vambery
1832 als Sohn eines Rabbiners in Dunaszerdahely (heute Slowakei) als Hermann
Bamberger.
Von jung an sehr sprachbegabt,
verstand er schon als Kind Ungarisch und Deutsch, verfügte über Hebräisch und
Latein-Kenntnisse und lernte dann als Jugendlicher autodidakt und mit äußerstem
Fleiß Französisch, Italienisch und Russisch. Die Literatur der griechischen
Antike, hier vor allem Homers Odysee, die englische Romantik, allen voran Lord
Byron, sowie die französischen Vertreter der Aufklärung, besonders Voltaire und
Rousseau, aber auch die Reiseerzählungen Marco Polos prägten Vamberys frühes
Weltbild.
Der wohlhabende ungarische Baron
Eötvös, Minister und auch Schriftsteller, förderte den jungen, talentierten Mann
und ermöglichte dem knapp Zwanzigjährigen seine erste Reise nach Konstantinopel.
dem kulturellen, sprachlichen und religiösen Schnittpunkt von Orient und
Okzident.
Zunächst arbeitete Vambery als
Französisch-Lehrer bei Rifaat Pascha, einem im Osmanischen Reich einflussreichen
Mann und nutzte die folgenden Jahre, um verschiedene türkische Dialekte zu
erlernen. Einer der Beweggründe diese Sprachfähigkeiten zu erwerben, war die
Suche nach den Wurzeln der ungarischen Sprache. Vambery besuchte eine
Koranschule, um mehr über den Islam zu erfahren und verdiente zusätzlich Geld
als Geschichtenerzähler in den Kaffeehäusern von Konstantinopel. Nach mehreren
Jahren brachte er das Deutsch-Türkische-Wörterbuch heraus und unternahm als
Derwisch Chodsha Mehmet Raschid- Efendi verkleidet eine Karawanenreise über
Armenien, das Kaspische Meer, Persien und die turkmenische Wüste nach Buchara
und Samarkand.
Auf diesen Reisen gewann der kühne
Forscher wichtige ethnographische, geopolitische und linguistische Erkenntnisse
über jene damals teils noch unbekannten Gebiete. Er erlebte unglaubliche und
märchenhafte Abenteuer, zog sich aber auch in manchen Situationen das Misstrauen
der einheimischen Bevölkerung zu. Über diese Reisen berichtete er u.a. in „
Travels in Central Asia", 1863 in London herausgebracht.
Nach einem Aufenthalt in London
erlangte Vambery 1867, obwohl er nie studiert hatte, an der Budapester
Universität den ersten Lehrstuhl für orientalische Sprachen und wurde obendrein
in den Adelstand erhoben. An der Universität widmete er sich vor allem der
Klärung linguistischer Probleme, wie der Theorie, dass die ungarische mit der
finnischen Sprache verwandt sei, eine Theorie die Vambery im übrigen abstritt,
oder den Beziehungen des Ungarischen zu den verschiedenen Turksprachen.
In der Folgezeit brachte er 32
Bücher zu historischen, geographischen, religiösen und politischen Themen heraus
und verfasste unzählige Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, in denen er seine
Reiseabenteuer beschrieb. Viele europäische Politiker suchten den Rat des
Weltenbürgers, 1888 bekam er sogar Besuch vom Prinz von Wales. Außerdem hielt er
sein Leben lang Kontakte zu islamischen Religionsgelehrten im Osmanischen Reich.
2005 wurden britische Geheimdienstdossiers öffentlich zugänglich gemacht, in
denen seine Spionagetätigkeit für das British Foreign Service nachgewiesen
wurde.
Arminius Vambery pflegte auch eine
Bekanntschaft zu dem berühmten deutschen Geographieprofessor und
Ostasienforscher Ferdinand Freiherr von Richthofen (1833 - 1905), der durch
seine Forschungen und Reisen in den fernen Osten Bekanntheit erlangte. Vambery
galt als Zionist und war mit Theodor Herzl (1860 - 1904) befreundet, dem er
Kontakte zum Osmanischen Reich vermittelte. Samu Stern (1874 - 1947), ein
reicher Bankier, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Budapest bis zur
deutschen Okkupation und Anti-Zionist, war ein Verwandter Vamberys. In der
Budapester Synagoge und dem Museum wird an Vambery und Stern erinnert.
Vambery starb 1913 in Budapest.
Sein Sohn Rusztem (1872 bis 1948) wurde Richter und Professor für
Kriminalistik in Budapest und London, war politisch gegen Bela Kun und später
gegen Miklos Horthy aktiv und emigrierte 1939 nach New York.
Vamberys Literatur und Einfluss
auf andere Zeitgenossen und Reisende
Nichts ist befremdender und fügen wir gleich dazu auch
betrübender, als das traurige Los der Juden in den verschiedenen Ländern des
moslemischen Asiens, ein Los, dass sich vielleicht zeitweiliger Linderungen
erfreute, im Ganzen aber stets bedrückender, als das der Christen war
(Arminius Vambery, „Sittenbilder aus dem Morgenlande", 1876)
In Vamberys Werk "Sittenbilder aus
dem Morgenlande", gibt es das aufschlussreiche Kapitel „Christen und Juden", in
dem er über die Vielfalt der Religionen im Osmanischen Reich und die
Besonderheiten von orientalischen Christen und Sepharden schreibt. Der Orient
wird also hier aus der Sicht eines Europäers des 19. Jahrhunderts dargestellt.
Hier befasst er sich sowohl mit den Armeniern, den Griechen und den jeweiligen
Bräuchen als auch mit Herkunft und gesellschaftlichem Umgang miteinander.
Faszinierend ist, dass viele Nachkommen der Spaniolen oder Sepharden über
Jahrhunderte bis heute neben der jeweiligen Landessprache auch Spanisch als
Muttersprache behielten. Ein lieber persönlicher Freund, ein in Wien geborener
und hier lebender Sepharde hat z.B. noch seinen spanischen Vor- und Nachnamen
und kann zwischen Wienerisch und Spanisch schnell umschalten.
Vambery beschreibt auch, dass
Juden von Türken als „Kekeres" bezeichnet wurden, was vom spanischen „Que
quieres" kommt. Wurden jüdische Buben geschlagen oder alte Männer am Barte
gezogen, antworteten diese „ que quieres" (.."was willst Du eigentlich von mir,
wieso bist du so zu mir"..). Die Auseinandersetzung mit dem Werk Vamberys könnte
gerade in Bezug auf aktuelle Religions- und Kulturkonflikte eine weitere,
erklärende Komponente liefern.
Vom Orient zum Dracula-Mythos
Die beiden Professoren Radu
Florescu und Raymond T. McNally, beides renommierte Rumänien und
Dracula-Forscher, aber auch Ralf Peter Märtin schreiben, dass es Vambery war,
der an einem Abend im Jahr 1890 dem britischen Schriftsteller Bram Stoker ( 1847
bis 1912) die Idee zur Erschaffung seines „Dracula" lieferte.
Ein interessantes Thema ist die
Beschäftigung mit dem Mythos Dracula (in Literatur und Film) und dessen
geschichtlichem Vorbild Vlad III., jenem grausamen Wallachenfürsten, der „Draculea"
(das rumänische Wort für „Sohn des Teufels"), oder „Radu, der Schöne" genannt
wird. Dieser Vlad Tepes ließ ja seine Feinde bei lebendigem Leib aufspiessen (Tepes,
übersetzt „der Pfähler"). Vambery informierte Stoker über das Leben, die
Hintergründe und die Legenden um Vlad Tepes, den rumänischen Aber- und
Vampirglauben und die geographischen Gegebenheiten in Transsylvanien. Stoker
erwähnte Vambery in seinem „Dracula" und setzte ihm dadurch ein literarisches
Denkmal.
Weiters traf Vambery auch den
exzentrischen Abenteurer und Gelehrten Sir Richard Burton (1821 - 1890), der
Indien, den Orient, Ostafrika und Nordamerika bereiste und in letzter Zeit durch
die literarischen Werke Ilja Trojanows bekannter wurde. Bei einem gemeinsamen
Abendessen in London wurden, es war übrigens auch die Queen-Mother anwesend,
Anekdoten aus dem Orient vorgetragen. Auch der Asien-Forscher Sven Hedin (1865 -
1952), berühmt geworden durch seine abenteuerlichen Himalaja-Expeditionen und
später umstritten wegen seiner Nähe zum nationalsozialistischen Deutschland,
reiste 1887 als junger Mann nach Budapest, um Vambery zu treffen und sich von
ihm inspirieren zu lassen. Vambery verfasste dann auch das Vorwort zu dessen
erster Reiseerzählung.
Sir Fitzroy Maclean (1911 – 1996),
geistiger Nachfahre der Vamberys und Burtons, war schottischer Diplomat,
Schriftsteller, Abenteurer und Geheimagent im Zweiten Weltkrieg sowohl in
Nordafrika als auch in Jugoslawien. Er wurde eines der realen Vorbilder für Ian
Flemings „James Bond". Flemings befasste sich ebenfalls intensiv mit den
Abenteuerreisen Vamberys, reiste viele Jahre auf dessen Spuren und beschrieb
Abenteuer und Leben in „Durchs wilde Turkestan".
Literatur:
Bartholomä, Ruth: Von Zentralasien nach Windsor - Castle. Das
Leben und Werk des ungarischen Orientalisten Arminius Vambery( 1832-1913), Ergon.
Würzburg, 2006.
Bock-Luna, Birgit: Reiseleben- Lebensreise- Der ungarische
Orientalist Hermann Vambery (1832-1913) über Zentralasien, Lit Verlag. Münster,
2003.
Golowin, Sergius et. al.: Das Lexikon des Dunkeln, Arun –
Verlag. Uhlstädt, 2006.
Märtin, Ralf-Peter: Dracula - Das Leben des Fürsten Vlad
Tepes, Wagenbach. Berlin, 2004.
Kilcher, Andreas (Hrsg): Lexikon der deutsch-jüdischen
Literatur, Suhrkamp. Stuttgart, 2000.
Maclean, Fitzroy: Durchs wilde Kurdestan, Ullstein. Wien,
1962.
Mcnally, Raymond et Florescu, Radu: Auf Draculas Spuren - Die
Geschichte des Fürsten und der Vampire, Ullstein. Franfurt am Main, 1996.
Stoker, Bram: Dracula, Insel Taschenbuch. Frankfurt am Main,
1988.
Trojanow, Ilja: Der Weltensammler, Carl Hanser Verlag.
München, Wien, 2006.
Trojanow, Ilja: Nomade auf vier Kontinenten- Auf den Spuren
von Sir Richard Francis Burton, Eichborn Verlag. Frankfurt am Main, 2007.
Vambery, Arminius: Sittenbilder aus dem Morgenlande: Hofmann.
Berlin, 1876.
Wennerhom, Erich: Sven Hedin, Brockhaus. Wiesbaden, 1978.
Kleine Auswahl aus Vamberys Werk (Nur noch
teilweise antiquarisch bzw. in Universitätsbibliotheken erhältlich):
Deutsch-türkisches Wörterbuch. Konstantinopel, 1858.
Reise in Mittelasien. Leipzig, 1865.
Meine Wanderungen und Erlebnisse in Persien. Leipzig, 1867.
Skizzen aus Mittelasien. Leipzig, 1867.
Geschichte Bucharas. Stuttgart, 1872. (bis heute eines der
Standardwerke zur Geschichte Bucharas!)
Der Islam im 19. Jahrhundert. Leipzig, 1875.
Der Ursprung der Magyaren. Leipzig, 1882.
Das Türkenvolk. Leipzig,1885.
Viele Reiserzählungen, politische Schriften, linguistische
Werke und andere Texte.
Internet:
www.martinkramer.org ( jewish discovery of islam)
www.j-zeit.de ( Die jüdische Zeitung )
Encyclopædia Britannica
Jewish Encyclopedia
Private Dokumente und Aufzeichnungen der Familien Stern und
Bamberger im Besitz des Verfassers und seines Großonkels