Das deutsch-israelische Verhältnis
ist immer noch ein besonderes. Zum 60. Jahrestag der Gründung des jüdischen
Staats vielleicht sogar mehr denn je. Man denke nur an die U-Boote für Israels
Marine, deren subventionierte Lieferung die letzte deutschen Bundesregierung
sozusagen als letzte Amtshandlung – jedoch durchaus im Einvernehmen mit ihrer
Nachfolgerin - durchgewunken hat. Oder an die erneute Aufstockung des Kapitals
der German-Israeli Foundation for Scientific Research and Development (GIF).
Nicht zu vergessen der umfangreiche Jugendaustausch, die Städtepartnerschaften,
die Wirtschaftsbeziehungen und Gewerkschaftskontakte etc. Die Bandbreite der
zwischenstaatlichen Kontakte wird nunmehr auf Betreiben der Bundeskanzlerin
Angela Merkel sogar noch um zwei weitere Elemente ergänzt: deutsch-israelische
Regierungskonsultationen zwischen den Kabinetten beider Länder und die Schaffung
der Stelle eines Koordinators für die bilateralen Beziehungen.
Quantitativ und qualitativ
übersteigen Austausch und Zusammenarbeit beider Länder damit die meisten ihrer
jeweiligen Kontakte zu anderen Staaten. Und auch die Geschichte dieser
unwahrscheinlichen Partnerschaft – von den Verhandlungen über die Shilumim
über die geheimen Waffenlieferungen und Rüstungsprojekte bis hin zur
Zusammenarbeit der Geheimdienste – bietet reichlich Stoff für Legenden und
Mythen. Die zahlreichen Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag dürften sich demnach
ähnlich pompös gestalten wie die zum 40. Jubiläum zur Aufnahme diplomatischer
Beziehungen vor drei Jahren. „Besondere Freundschaft" und „historisch-moralische
Verantwortung" waren damals wie heute die Schlagworte. Von Pfadfindervereinen
über Polizeiblasorchester bis hin zu den Staatsoberhäuptern waren alle mit von
der Partie. Und doch ist diese Idylle trügerisch. Zunächst einmal fällt auf,
dass sich eine zunehmende Kluft zwischen den Freundschaftsbekundungen der Eliten
(beider Länder) einerseits und der öffentlichen Meinung in Deutschland
andererseits auftut. Welcher deutsche Politiker erwähnt in seinen Feiertagsreden
schon, dass gemäß mehrfachen Meinungsumfragen der letzten Jahre ein
beträchtlicher Prozentsatz der Deutschen – mitunter gar die Mehrheit – direkte
Analogien zwischen dem Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern und
Nazideutschlands Umgang mit den Juden ziehen? Derartige demoskopische Befunde
markieren dabei lediglich den bisherigen Höhepunkt eines Trends, der sich
bereits in früheren Erhebungen und Analysen der deutschen
Medienberichterstattung abzeichnete. Gerade derartige Erscheinungen des modernen
Sekundärantisemitismus, der historische Schuld und die daraus erwachsende
moralische Verantwortung durch Projektion auf Israel als „Stellvertreterjude" zu
relativieren versucht, stellt die größte Herausforderung für die
deutsch-israelische „special relationship" dar. Nicht umsonst genießen
antizionistische jüdische und israelische Stimmen unverhältnismäßig viel
Rampenlicht in der deutschen Presse und Öffentlichkeit und werden mit Ehrungen
geradezu überhäuft.
Fragwürdig wirkt nicht zuletzt
auch die Arbeit der Bundeszentrale für Politische Bildung in Bezug auf den
jüdischen Staat. Einerseits finden unter ihrer Leitung seit vielen Jahren
regelmäßig Bildungsreisen für Multiplikatoren nach Israel statt. Andererseits
hat diese dem Innenministerium nachgeordnete Institution beispielsweise vor
nicht allzu langer Zeit ein Begleitheft zum Selbstmordattentäterdrama „Paradise
Now" für den Unterricht herausgegeben, das die im Film vorhandenen
antiisraelischen und antisemitischen Stereotypen reproduziert, statt sie
kritisch aufzuarbeiten. Für die Bundeszentrale arbeitet zudem mit Ludwig Watzal
seit längerem eine Person, die zahlreiche antiisraelische Artikel mit zum Teil
unverhohlen antisemitischen Klischees verfasst hat, von denen einige sogar auf
einer zur Solidarität mit Hamas und Hisbollah aufrufenden linksextremen
Internetplattform veröffentlicht wurden. Bis heute hat Thomas Krüger, der
Präsident der Bundeszentrale, keine nach außen hin nachvollziehbaren
Konsequenzen aus der Affäre „Watzal" gezogen.
Parallel zu diesen Entwicklungen
wurden in den Jahren von Oslo die Palästinenser in einige wichtige
deutsch-israelische Kooperationsbereiche einbezogen. Dies geschah sehr wohl mit
israelischem Einvernehmen. Doch die von Israel im Gegenzug erwarteten
Verhaltensänderungen auf palästinensischer Seite wurden von den deutschen
Partnern nicht nachhaltig eingefordert. Ein Zurückfahren ihrer Unterstützung für
die PLO-geführte Autonomiebehörde ist wiederum für die Bundesrepublik undenkbar
– erst recht seitdem Hamas die Macht im Gaza-Streifen übernommen hat. Hingegen
gab es durchaus temporäre staatliche Sanktionen gegen Israel, als Berlin 2002
während Militäroperationen der IDF gegen palästinensische Terroristen deutsche
Rüstungslieferungen verzögerte.
Immer wieder vernehmbare
Bekundungen so mancher deutscher Politiker, die vorgeben, Israel vor sich selber
retten zu wollen, mögen zwar erheiternd wirken. Geradezu beunruhigend werden sie
jedoch dann, wenn sie mit lustvoll skizzierten Szenarien europäischer – und
insbesondere deutscher – Soldaten als Friedensstifter im Nahostkonflikt
einhergehen. Deren Zweideutigkeit hat sich zwischenzeitlich durch den (auch mit
deutscher Beteiligung stattfindenden) UNIFIL-II-Einsatz offenbart, welcher
Israel die Mittel zur Verteidigung aus der Hand nimmt, ohne dem jüdischen Staat
Sicherheit garantieren zu können. Die Hisbollah ist heutzutage jedenfalls besser
aufgerüstet als vor dem Libanon-Krieg 2006.
Dies geht einher mit einer
Außenpolitik des Appeasements gegenüber offen antisemitischen Regimes, vor allem
in den arabischen Ländern und im Iran. Trotz der existentiellen Bedrohung des
jüdischen Staats durch das iranische Atomprogramm hat Berlin es bisher nicht
vermocht, seine Beziehungen zu den Mullahs abzubrechen, geschweige denn
umfassende wirtschaftliche Sanktionen gegen den Gottesstaat zu verhängen, wozu
auch eine konsequente Beendigung der staatlichen Bürgschaften für den deutschen
Export in den Iran gehören würde. Merkels entschiedene Statements zum
Antisemitismus und insbesondere zur vom Iran ausgehenden Gefahr, zwei der
größten Bedrohungen nicht nur für die Juden und Israel, sondern zwangsläufig
auch für Freiheit und Demokratie an sich, heben die Bundeskanzlerin zwar
gerade in der heutigen Zeit innerhalb der politischen Klasse als
Hoffnungsträgerin hervor. Allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern sich
angesichts derartiger Herausforderungen Worte mit politischem Handeln unter
ihrer Ägide miteinander decken werden. Schließlich steht ihr mit Außenminister
Frank-Walter Steinmeier ein starker Koalitionspartner gegenüber, der gerade in
der Iran-Frage, wie schon sein ehemaliger Chef Gerhard Schröder, die
antiamerikanische Karte geschickt auszuspielen weiß. Zudem existieren mit
Figuren wie Ruprecht Polenz, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des
Bundestags, auch innerhalb der Union bedeutende Stimmen, die einer
Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Iran de facto das Wort reden.
So ist allen zweifelnden
Voraussagen zum Trotz das deutsch-israelische Verhältnis zwar bis heute formal
ein besonderes geblieben. Jedoch sollte man sich über seine bereits
fortgeschrittene Aushöhlung und schleichende Untergrabung durch falsche Freunde
nicht hinwegtäuschen. Und so ist es angesichts der weiter anhaltenden Spannungen
im Nahen Osten auch nicht überraschend, dass in der Bundesrepublik zunehmend
Stimmen laut werden, die von einer besonderen deutschen Verantwortung gegenüber
den Palästinensern als den „Opfern der Opfer" sprechen, die in den Beziehungen
zum jüdischen Staat stets mitzudenken sei.
Angesichts des wachsenden externen
und internen Drucks sowie des Generationswechsels, der auch vor der politischen
Klasse keinen Halt macht, wird die deutsch-israelische „special relationship"
nur überleben können, wenn verantwortungsvolle Entscheidungsträger neue Wege
finden, politisches Interesse mit einer ethischen Perspektive und mit
historischer Weitsicht sowie Verständnis für ihre Notwendigkeit zu verbinden.
Vor allem die Entwicklungen in der Bundesrepublik werden hier entscheidend sein.
Der gegenwärtigen deutschen Regierung unter Angela Merkel könnte vor diesem
Hintergrund eine wegweisende Bedeutung zukommen.