Die Situation der Tibeter ist bedrückend. Seit 1950 sucht die
Bevölkerung unter fremder Herrschaft einen friedlichen Weg, in ihrem Land ein
lebenswertes Leben zu führen. Jedes Jahr, immer im März, dem Monat des
Einmarsches, versucht sie auf ihre Lage aufmerksam zu machen, meistens
unbeachtet von der Welt. 2008 ist es etwas anders. Zum ersten Mal seit der
Okkupation sieht und hört die Welt, was in Tibet geschieht. Soll man sagen,
„dank Olympia"?
links: Ilan Beresin, rechts: Tseten Zöchbauer, Präsidentin der
TGÖ, vorne rechts: Franceska Habsburg
Auch in diesem März gingen die Tibeter auf die Straße, und
dieses Mal hörte die Welt, was in diesem Teil der Erde passiert: „Umerziehung",
Verhaftung, Folter, Sterilisation ohne Narkose. Die tibetische Intelligenz
musste das Land verlassen und muss von außen zusehen, was in ihrer Heimat jeden
Tag passiert. Haben wir das nicht schon gehört? Lange ist es her. Diese Zeit ist
bei uns vorbei und wurde zum Teil unserer Geschichte. In Tibet aber ist es
schmerzhafte Realität, Tag für Tag.
Ende August organisierten Tibeter einen weltweiten
Hungerstreik, unterstützt von anderen Religionsgemeinschaften und
Sympathisanten. Auch in Wien wurde zwischen dem 21. und 31. August im ersten
Wiener Bezirk, zuerst im Buddhistischen Zentrum, später am Schwedenplatz ein
Lager errichtet. Die beiden permanent Hungernden waren Tseten Zöchbauer,
Präsidentin der Tibetergemeinschaft in Österreich, und Jamyang Zongchega, der
erst kürzlich Vater geworden ist.
Die erste Phase im buddhistischen Zentrum begann mit einer
Pressekonferenz, unter Beteiligung mehrerer Journalisten, der österreichischen
Presseagentur und von Birgid Weinzinger, der Menschenrechtsprecherin der
„Grünen". Frau Zöchbauer berichtete über die aktuellen Geschehnisse in Tibet,
gerade während der Olympischen Spiele. Erwähnt sei hier die bekannt gewordene
Zensur der internationalen Reporter in Peking. Einen besonderen Schwerpunkt
setzte Zöchbauer auf die Situation nach den Spielen, die sich drastisch
verschlimmert hat. Das Schicksal der Mönche, die es gewagt hatten, vor den
Spielen mit Reportern zu sprechen, ist nicht bekannt. Es ist zurzeit nur belegt,
dass sie von den chinesischen Behörden verhaftet worden sind.
Beim gemeinsamen Friedensgebet
Birgid Weinzinger sprach über ihre Möglichkeiten, die Tibeter
in Tibet zu unterstützen, im Besonderen dem tibetischen Filmemacher Dhondup
Wangchen und seinen Freund Golog Jigme, die nach der Veröffentlichung der
Dokumentation „Leaving Fear Behind" („Die Angst überwinden") inhaftiert worden
sind. In diesem Film werden 108 Tibeter in Tibet interviewt. Frau Khin vom
Burmaverein bekundete ihre Solidarität mit den Tibetern. Sie sagte, kein Staat
würde China wegen der Menschenrechtsverletzungen in Tibet und seiner
Unterstützung der burmesischen Militärjunta boykottieren. Die meisten der
Reichen in Burma seien Chinesen, sogar Tafeln auf den Märkten würden in
Chinesisch beschriftet. Elisabeth Zimmermann, Präsidentin von SAVE TIBET
Österreich sprach über die verheerende Situation in Tibet und sicherte den
Tibetern weiterhin ihre volle Unterstützung zu.
Am 25. August begann die zweite Phase des Hungerstreiks.
Tseten und Jamyang übersiedelten auf den Schwedenplatz in ein Zelt, wo sie bis
zum 31. August, unterstützt von vielen Freunden, den Hungerstreik fortführten.
Höhepunkt war der 30. August, an dem alle Menschen aufgerufen wurden, 12 Stunden
für den Frieden zu fasten und sich auf den gewaltlosen Aufstand zu besinnen.
Auch in anderen Städten Österreichs folgten Tibeter und Österreicher dem Aufruf,
besonders in Innsbruck, wo sich ca. 30 Personen bei der Annasäule versammelten.
Organisiert wurde die Veranstaltung von der lokalen Tibetergemeinde und von
Atussa Sadri, die nicht nur in Tirol den Tibetern zur Seite steht, sondern auch
in Deutschland. Nach 12 Stunden wurde eine interreligiöse Zeremonie abgehalten,
unter Beteiligung von Vertretern aller größeren Religionsgruppen, Vertretern
christlicher Kirchen (zwei römisch-katholische Vertreter, Herr Rektor Dr. Petrus
Bsteh von der Kontaktstelle für Weltreligionen und Dechant D. Karl Engelmann von
Hernals-Kalvarienberg, sowie Frau Vikarin Heidvogel von der Evangelischen Kirche
Innere Stadt), einem buddhistischen Mönch aus Sri Lanka und einer Vertreterin
der burmesischen Buddhisten, sowie des jüdischen Kulturvereines DAVID, vertreten
durch Ilan Beresin, der die Tibetergemeinschaft schon seit langer Zeit
begleitet. Gemeinsam wurde gebetet. Auch Gefühle und Wünsche wurden ausgedrückt,
die die Tibeter begleiten mögen.
v.l. Tseten Zöchbauer, Jamyang Zongchega u. Elisabeth
Zimmermann, Präsidentin von Save Tibet
Den Abschluss bildete die Pressekonferenz am Sonntag, dem 31.
August, die unter Beteiligung der Presse, des ORF und Ulrike Lunacek,
Außenpolitiksprecherin der „Grünen", von Tseten Zöchbauer und Jamyang, beide
stark geschwächt vom aufzehrenden Hungerstreik, abgehalten wurde. Unter den
Anwesenden und Rednern war auch Francesca Habsburg, die sich schon lange für die
Anliegen der Tibeter im In- und Ausland einsetzt. Viele Veranstaltungen wären
ohne sie nicht möglich gewesen. Die beiden Hunderstreikenden riefen abschließend
nochmals dazu auf, die kulturelle Vielfalt in Asien und der ganzen Welt zu
schätzen und zu respektieren, und im Dialog Lösungen für die Probleme zu suchen.