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Felix Schneider:
Der Österreicher in mir

Francisco Tanzer, Der Österreicher in mir, Leben und Werk
Wien : Edition Atelier 2006
232 Seiten, gebunden, Euro 18,00.-
ISBN 3-902498-09-9

Die Wiener Literaturwissenschaftlerin Daniela Strigl hat einen bemerkenswerten Band über den österreichischen Schriftsteller Francisco Tanzer, einen Wiener mit jüdischen Wurzeln, herausgegeben. Es ist dies eine Sammlung von Lyrik und Prosatext eines Mannes, dem die ganz große literarische Anerkennung Zeit seines Lebens zwar versagt blieb, der jedoch zweifellos einen bedeutenden Beitrag zur deutschen und österreichischen Nachkriegs-Literaturszene geleistet hat.

Francisco Tanzer erblickte als Franz Tänzer am 12. September 1921 in Wien das Licht der Welt. Aufgewachsen in einem typischen österreichisch-großbürgerlichen Haushalt der Zwischenkriegszeit - sein Vater war ehemaliger k.u.k.-Offizier, seine Mutter entstammte einer Unternehmerfamilie. Beide waren assimilierte Juden, evangelisch konvertiert, Franz selbst war getauft.

Franz Tänzer erlebte die 1. Republik, den Ständestaat und schließlich den „Anschluss" 1938 als Kind und Jugendlicher mit. Im Juni 1938 gelang es ihm noch, zusammen mit seinem Vater über die Tschechoslowakei nach Paris zu emigrieren. Als die deutschen Truppen der französischen Hauptstadt im Sommer 1940 immer näher rückten, setzte er zusammen mit seinem Vater, Friedrich Torberg, Alfred Polgar sowie dessen Frau die Flucht über Spanien und Portugal in die USA fort, wo sie im April 1941 mit kubanischem Visum eintrafen. Eben jenes Visum, in dem er als „Francisco" (Franz) Tänzer eingetragen war sowie der Umlaut auf dem „a" des Nachnamens „Tänzer", auf den die Familie in den USA fortan verzichtete, ergaben schließlich jenen Namen, unter dem Franz Tänzer später bekannt wurde: Francisco Tanzer.

Francisco Tanzers Schicksal war eines von tausenden Gleichartiger. Und obwohl er in seiner Literatur eben nicht die typische Opferrolle vertritt, so war er sich seiner Wurzeln durchaus bewusst – auch wenn das in seiner Prosa nicht prominent zum Ausdruck kam.

Sein Werk blieb Zeit seines Lebens ein fragmentarisches. Fast ist man versucht, zu sagen, es wäre eher „nebenbei" entstanden. Die Gründe dafür sind sowohl in der eher kühlen Beurteilung seiner Prosa (nicht seiner Lyrik!) durch bestimmte Kollegen und Verlage, aber auch in seinem turbulenten beruflichen Werdegang zu suchen. Francisco Tanzer trat 1942 als Freiwilliger in die US-Army ein und wurde nach dem Krieg in Deutschland Vernehmungsoffizier der US-Besatzungstruppen. In den Jahren des Krieges entstand das „Journal", eine Art Tagebuch, das von niemand Geringerem als Eugen Kogon später publiziert wurde. Sein Einsatz als Nachrichtenoffizier inspirierte Tanzer später zu einer seiner wenigen Prosastücke: „Das Ehepaar", die Geschichte einer Liebe zwischen einem amerikanischen Offizier und einer Deutschen in der frühen Nachkriegszeit. Tanzers Werk ist charakterisiert durch eine Art „Unschuld", eine Naivität, die über die „Reinheit der Passivität" definiert werden könne, so der bekannte österreichische Literat und Kafkaforscher Heinz Politzer, der zu Tanzers engen Freunden zählte. Francisco Tanzer kehrte nach dem Krieg nach Europa zurück und arbeitete in Deutschland im Stahlgeschäft. Dem Exilösterreicher wurden in seinen letzten Lebensjahren auch zahlreiche Auszeichnungen der Republik Österreich zuteil. So schloss sich ein Kreis.

Francisco Tanzers literarisches Werk ist in vorliegendem Buch erstmals zusammengefasst.

Es beinhaltet vier Kapitel Gedichte sowie die bekanntesten Prosastücke, darunter auch „Das Ehepaar" und „Agnus Dei". Sein Werk dreht sich in erster Linie um den Menschen, um den Missbrauch von Macht und Schuld, um das „Bemühen um ein Verstehen des schwer Verständlichen" (Strigl).

Es ist ein stilles, ein leises Buch, ein Buch von ethischem Anspruch. Klischees und Lagerdenken wird man vergeblich suchen.

Versöhnungsgedanken nicht.

 
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