Manfred Gerstenfeld (Hg.): Academics Against Israel and the
Jews. Mit einem Vorwort von Natan Sharansky. Jerusalem: Jerusalem Center for
Public Affairs 2007, 2008 (2. Aufl.).
276 Seiten, USD 30,00.-
ISBN: 965-218-057-2
August Bebel wird die Aussage
zugeschrieben, Antisemitismus sei der Sozialismus des dummen Kerls. Dass
Judenfeindschaft jedoch nichts mit dem (formalen) Bildungsgrad seiner
TrägerInnen zu tun hat, belegen Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus nur
zu deutlich.
Die vor allem von britischen
Universitätslehrenden-Organisationen betriebenen Protestaufrufe und
Boykottmaßnahmen gegen israelische WissenschafterInnen und Institutionen in den
letzten Jahren waren Anlass für Manfred Gerstenfeld, einen längst überfälligen
Sammelband zum „Campus-Antisemitismus" zu veröffentlichen. Gerstenfeld leitet
das Jerusalem Center for Public Affairs und ist ebenso wie die AutorInnen
der einzelnen Beiträge an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und
zivilgesellschaftlichem Engagement zu verorten. Begleitet wird Academics
Against Israel and the Jews durch ein Vorwort von Natan Sharansky –
sowjetisch-jüdischen Dissident, ehemaliges Mitglied der israelischen Regierung
(unter anderem für Diasporaangelegenheiten zuständig) und prominenten Kämpfer
gegen den Antisemitismus.
Untersucht werden die
Universitätslandschaften in den USA, Kanada, Großbritannien, den Niederlanden,
Österreich, Australien und in den Palästinensischen Autonomiegebieten. Abgesehen
vom palästinensischen Beispiel gilt für alle Einrichtungen ein für den
Post-Holocaust-Antisemitismus typischer Befund: über die in der Shoah Ermordeten
zeigt man/frau sich betroffen, während der Hass nun gegen Israel ausagiert wird.
Teilweise führt das sogar zu gewaltsamen Übergriffen auf mit Israel solidarische
jüdische Studierende und WissenschafterInnen. Besonders unrühmlich hervorgetan
haben sich dabei grundsätzlich renommierte Institute für Nahost- und
Islamwissenschaften: das Middle East and Asian Languages and Cultures Department
(MEALAC) an der Columbia University in New York, die Harvard Divinity School und
die School of Oriental and African Studies (SOAS) in London. Der Aufsatz von
Ruth Contreras über die Situation in Österreich ist überraschenderweise der
einzige, der sich mit einem deutschsprachigen Land beschäftigt. Contreras hebt
sich besonders positiv ab, da sie sowohl die gesellschaftspolitischen
Rahmenbedingungen als auch rechtsextreme akademische Judenfeindschaft
beleuchtet, die bei aller Kritik an der Linken nicht vergessen werden darf.
Die meisten Texte entstanden aus
Engagement gegen einen Antisemitismus, der sich unter dem wissenschaftlichen
Deckmantel zu verbergen sucht. Die angewendeten Strategien reichen von spontanen
Protestschreiben und Petitionen an Universitätsleitungen und Stiftungen bis zur
Abhaltung von Gegenveranstaltungen, die eine positivere Sicht auf Israel
vermitteln. Wo am Anfang oft Einzelpersonen kämpften, kann mittlerweile auf die
Infrastruktur von Netzwerken wie die auch in Europa tätigen Scholars for
Peace in the Middle East (SPME) oder die jüdische Campusorganisation
Hillel vertraut werden.
Hier wird allerdings ein
beträchtlicher Unterschied zwischen nordamerikanischen und europäischen
Universitäten deutlich. Wie Aryeh Green betont, sind an letzteren wesentlich
weniger Jüdinnen und Juden inskribiert und dementsprechend bestehen kaum
durchsetzungsfähige Campusgruppen. Es bleibt also in den Händen nichtjüdischer
Studierender und Lehrender, gegen Antisemitismus aufzustehen. Manfred
Gerstenfeld unterscheidet am Beispiel der Boykott-GegnerInnenschaft jedoch sehr
genau, aus welchen Motiven dieser abgelehnt wird (S. 58-59). Es gibt demnach
apologetische Argumente (israelische AkademikerInnen seien die schärfsten
KritikerInnen ihrer Regierung), moralische (Angriffe auf israelische
StaatsbürgerInnen würden ignoriert) und utilitaristische (akademische
Kooperationen zwischen IsraelInnen und PalästinenserInnen würden gestört).
Gerstenfeld ist darin zu unterstützen, dass prinzipielle Einwände gegen
Israel-Boykotte (die Konzentration auf Israel sei einseitig und widerspräche
wissenschaftlichen Standards) die einzig zielführenden sind.