Savyon Liebrecht: Die Frauen meines Vaters
Aus dem Hebräischen von Vera Loos und Naomi Nir-Bleimling.
München: dtv 2008
299 Seiten, Euro 15,50.-
ISBN 978-3-423-24626-2
1990 ist Meir dreißig, lebt in New
York und sein erster Roman, den er mühelos in kürzester Zeit geschrieben hatte,
war überraschend erfolgreich. Aber nun sucht er bereits seit drei Jahren den
Stoff für ein neues Buch, und der ist nicht in seinem eigenen Leben zu finden,
dazu erscheint ihm dieses doch zu belanglos. Zwischen sich und anderen Menschen
hat Meir gewissermaßen eine Wand errichtet, zu seiner Mutter hat er ein äußerst
distanziertes Verhältnis und die vielen Beziehungen zu Frauen waren ihm mit
einer Ausnahme alle gleichgültig.
Da teilt ihm seine Mutter
plötzlich mit, dass sein Vater, den er für tot hielt, am Leben ist. Für Meir
kommen Ereignisse und Gefühle aus seiner Kindheit in sein Gedächtnis zurück. Es
sind wehmütige und bittere Erinnerungen und es ist sehr bald klar, warum Meir
diese so sehr verdrängt hat, doch hindert ihn das nicht, darin auch die
Möglichkeiten zur literarischen Verarbeitung zu sehen.
Meir weiß nicht allzu viel über
seinen Vater, der aus Polen stammt und dem Holocaust entkam, aber er erinnert
sich voll Sehnsucht an einen jungen gutaussehenden Dichter, der sich so sehr um
literarische Anerkennung bemühte und der es verstand, die Frauen zu faszinieren.
Bei einem Wiedersehen mit seinem
sterbenden Vater bleibt nur wenig Zeit, um über die Vergangenheit und damit auch
über jene fünf Monate, die sie einst nach der Rückkehr der Mutter allein in
Israel zurückblieben, zu sprechen. Meir, gefangen in seinen widerstrebenden
Gefühlen, will dabei nicht zugeben, dass er sich nur zu genau erinnert, wie sie
ohne Geld und bald auch ohne Wohnung waren und sein Vater daraufhin seine
Anziehungskraft auf Frauen nützte, um sich und seinem siebenjährigen Sohn
Unterkunft und Essen bei zahlreichen Geliebten zu verschaffen. Diese chaotische
und für Meir oft sehr schwierige Periode endete mit einem Unglück, das den Vater
ins Gefängnis und den total verstörten Sohn in ein Flugzeug Richtung New York
brachte.
Erst jetzt wird Meir erfahren, was
damals wirklich geschehen ist. Wenn es ihm auch nicht gelingen wird, die
Persönlichkeit seines Vaters ganz zu ergründen, so wird er doch zumindest
verstehen, was ihn selbst zu dem Menschen gemacht hat, der er ist.
Savyon Liebrecht gilt heute als
eine der wichtigsten Autorinnen Israels; sie hat nach Meinung vieler mit diesem
eben so traurigen wie wunderbaren Roman, der dazu noch überaus spannend ist, ihr
bisher bestes Werk geschaffen.