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ÖSTERREICH IM FRÜHEN KALTEN KRIEG 1945-1958

SPIONE, PARTISANEN, KRIEGSPLÄNE
Erwin A. SCHMIDL (Hrsg.)
Wien Böhlau Verlag 2000
375 Seiten, ÖS 498,00
ISBN 3-205-99216-4

Der Historiker Dr. Erwin A. Schmidl, Herausgeber und selbst Autor eines Beitrages im vorliegenden Band, weist im Vorwort darauf hin, wie sehr Österreich in seiner Nachkriegsgeschichte Schauplatz des Kalten Krieges gewesen ist, und widerspricht damit der klassischen Interpretation, dass sich die Entwicklung nach 1945 in Österreich als "Sonderfall" vollzogen hätte, also völlig anders als z.B. in Deutschland.
Die Publikation beinhaltet neun Beiträge namhafter Historiker, welche die These von der Besonderheit der österreichischen Entwicklung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gründlich widerlegen.

Breite Beachtung finden die Aktivitäten ausländischer Geheim- und Nachrichtendienste auf österreichischem Boden. Die vier Beiträge (Autoren: Dr. Siegfried Beer, Obstlt James J. Carafano, Mag. Edda Engelke und Dr. Arnold Kopeczek), die sich diesem Themenkomplex widmen, zeigen auf, wie sehr Österreich als "Spielwiese" vor allem für alliierte Nachrichtendienste diente. Eine der heute wohl bekanntesten Aktionen stellt die Anlage von CIA-Waffenlagern dar, deren Existenz erst im Jahre 1996, begleitet von einem großen Medienecho, bekannt geworden ist. Einer dieser vier Artikel sticht besonders durch die Tatsache, dass primär russische Quellen verwendet wurden, hervor. Mag. Edda Engelke geht dem Schicksal der unter Spionageverdacht festgenommenen Österreicher in der Sowjetunion nach. Die drakonischen Urteile der Sowjets führt sie auf die Furcht der sowjetischen Besatzungsmacht vor den westlichen Nachrichtendiensten zurück. Sie sollten nicht zuletzt der Abschreckung dienen.
Der Artikel von Dr. Rudolf JeÍábek setzt sich mit der Tätigkeit ukrainischer, jüdischer und jugoslawischer Widerstandsgruppen auseinander. Der schwerste Bombenanschlag von jüdischen Untergrundkämpfern in Österreich ereignete sich im März 1948 auf das damals von der britischen Besatzungsmacht genutzte Parkhotel Schönbrunn. Anschläge jüdischer Gruppen im damals von den Alliierten in Besatzungszonen aufgeteilten Österreich richteten sich in erster Linie gegen britische Einrichtungen, was im Zusammenhang mit dem Kampf der Juden in Palästina gegen die britische Mandatsmacht gesehen werden muss.
Der Beitrag des Herausgebers, Dr. Erwin A. Schmidl, führt uns die Kriegs- und Krisenvorbereitungen der Besatzungsmächte vor Augen.
Demnach gab es Planungen seitens der Westalliierten, primär der Amerikaner und Engländer, Wien im Falle einer sowjetischen Bedrohung, z.B. einer Blockade, wie dies ja in Berlin in den Jahren 1948 bis 1949 der Fall gewesen war, mittels "Luftbrücke" zu versorgen. Der dafür notwendige Flugplatz sollte in Wien-Simmering, auf der Simmeringer Haide, errichtet werden. Für den Bau der Rollbahnen mit der dazu nötigen Infrastruktur wurde eine Bauzeit von rund drei Monaten veranschlagt. Während dieses Zeitraumes sollte die Bevölkerung Wiens aus zahlreichen geheimen, teilweise auch aus Mitteln des Marshallplanes bestückten Lebensmitteldepots versorgt werden.

Den Sperranlagen der Franzosen in Tirol und Vorarlberg ist der Artikel von Mag. Bruno W. Koppensteiner gewidmet. Diese militärischen Sperranlagen waren Teil der französischen Planungen zur Verteidigung gegen eine mögliche sowjetische Offensive nach Mittel- und Westeuropa.

Der den jüngsten Zeitabschnitt behandelnde Beitrag, verfasst von Mag. Walter Blasi, beschäftigt sich mit den amerikanischen Überflügen über Österreich aus Anlass der Libanonkrise des Jahres 1958. Diese Verletzungen des österreichischen Luftraumes und der Umgang seitens des offiziellen Österreichs damit waren Episoden, welche die weitere Entwicklung der österreichischen Neutralitätspolitik stark beeinflussten.
Abgerundet wird der Band durch einen kritischen Beitrag von Dr. Günter Bischof zur Historiographie des Kalten Krieges im Allgemeinen und seine Auswirkungen auf Österreich im Speziellen, welcher auch aktuelle Homepage-Adressen zur vorliegenden Thematik anbietet.
Fazit: Der Band präsentiert eine Reihe von bisher weitestgehend unbekannten Forschungsergebnissen, welche die - bis heute oft unterschätzte - passive und aktive Rolle Österreichs im frühen Kalten Krieg eindrucksvoll ins Bewusstsein bringen. Eine nicht nur für Wissenschafter äußerst empfehlenswerte und spannend zu lesende Lektüre - nicht zufällig ist ein Bild Orson Welles aus dem Film "Der Dritte Mann" auf dem Umschlag zu sehen -, sondern auch für jeden an der österreichischen Zeitgeschichte Interessierten.

Richard Hufschmied


 

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