DIE EISMINE
Aharon Appelfeld
Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
Berlin: Alexander Fest Verlag 2000
ca. 304 Seiten, gebunden,
DM 39,80 /öS 291.- /sFr 37.-
ISBN 3-8286-0068-9
Nachdem 1999 im Alexander Fest Verlag Aharon Appelfelds Der eiserne Pfad,
ein Roman über einen Überlebenden der Shoah erschienen ist,
schrieb Volker Hage im SPIEGEL: "Durch seine literarische Könnerschaft
ist Appelfeld als Erzähler des Holocaust Autoren wie Primo Levi oder
Imre Kertész ebenbürtig" (DER SPIEGEL 2/2000).
Aharon - ursprünglich: Erwin - Appelfeld wurde 1932 in Jadowa bei
Czernowitz geboren, einer Stadt, die mit zahlreichen Schriftstellerinnen
und Schriftstellern, wie Rose Ausländer und Paul Celan, verbunden
ist.
Aharon lernte von seinen Eltern Deutsch - wie er betont: das Deutsch des
Habsburger Reichs - , mit seinen Großeltern sprach er Jiddisch,
und außerdem beherrschte er auch Ukrainisch, Rumänisch und
Russisch. Mit der Rückkehr rumänischer Truppen in die bis 1941
von den Sowjets besetzten Bukowina kam es zu furchtbaren Judenverfolgungen.
So mußte der achtjährige Aharon mit ansehen, wie seine Mutter
und Großmutter ermordet wurden. Gemeinsam mit seinem Vater wurde
der Bub in ein Lager verschleppt, aus dem er fliehen konnte. Bis zur Befreiung
durch die Sowjets 1944 hielt er sich mit anderen Kindern in den Wäldern
versteckt auf. Zunächst schloss sich Aharon der sowjetischen Armee
als Küchenjunge an. Zwei Jahre später gelangte er mit Verwandten
auf einem Schiff der Jüdischen Brigade nach Palästina. In einem
Kibbuz begann er mit dem Schreiben, und Ende der fünfziger Jahre
veröffentlichte er auf Hebräisch seine ersten Erzählungen.
Heute ist er Professor für Literatur an der Universität Beer
Sheba.
Der Roman Die Eismine spielt in der Bukowina während des Zweiten
Weltkriegs. Der neunzehnjährige Ich-Erzähler Erwin verliebt
sich im Ghetto in das Mädchen Ida. Als diese schwanger wird, beschließen
sie, vor einem Rabbiner zu heiraten und so rasch als möglich zu fliehen.
Doch da wird Erwin in ein Arbeitslager deportiert, wo er mit anderen Häftlingen
eine Brücke über den Fluss Bug bauen soll. Der Tod ist ständig
vor aller Augen. Viele der Männer verlieren den Verstand, verweigern
die karge Nahrung und manch einer begeht Selbstmord. "Ab einem bestimmten
Moment verlischt die Barmherzigkeit. Du weißt, der andere ist längst
nicht mehr in dieser Hölle." Doch es gibt Häftlinge, die
sich Menschlichkeit und Hoffnung bewahrt haben.
Erwin überlebt, und nach der Befreiung durch die Rote Armee irren
die freigelassenen Juden umher. Ein Zuhause gibt es nicht mehr - es bleibt
nur die Erinnerung.
In seinem lakonischen und vielleicht gerade deshalb so starken Roman gibt
Aharon Appelfeld den Todgeweihten einen Namen und ein Gesicht. Sie sind
keine unbekannten Individuen, und ihre Geschichten werden nicht vergessen.
Der Autor widmet das Buch seinem Vater Michael Appelfeld, der "die
Brücke über den Bug gebaut hat".
Monika Kaczek