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Der Welt in die Quere
Liselotte BERAN

Erwin Rennert
Lebenserinnerungen 1926-1947
Wien: Edition exil 2000
299 Seiten, brosch., öS 180.-
ISBN 3-901899-09-X

Würden Sie zwei fast fremde, nur weitschichtig verwandte Kinder von einem anderen Kontinent bei sich aufnehmen, deren Eltern dem Tod geweiht sind? Was würden Sie, dem Tod ins Auge blickend, mit Ihren Kindern tun? Sie auf einen anderen Kontinent schicken?

Die Einwanderungsquoten für die USA waren streng geregelt. Die Eltern, aus der Bukowina stammend, haben selbst keine Chance ein Visum für die Vereinigten Staaten zu bekommen.

Aber sie schicken ihre zwei Kinder Erwin und Silvia zu einem Cousin nach New York. Die beiden Teens, dreizehn und sechzehn Jahre alt, fahren am 31. Oktober 1939 vom Südbahnhof in Wien weg.
Nach einer schönen mittelständischen Kindheit in Wien beginnt für die Kinder das aufregende Abenteuer auf dem Schiff "SATURNIA", versehen sind sie nur mit sorgsam aufgebesserten Englischkenntnissen, Daunenkissen und ein paar wertvollen Briefmarken im Überseekoffer.

Der Cousin in New York und seine Frau Fanny sind kinderlos, daher ohne jegliche Erfahrung mit Kindererziehung; sie nehmen die zwei pubertären Wesen in ihrer kleinen Wohnung auf und versorgen sie, bis sie selbständig werden. Die Beziehung zu den jungen Einwanderern verläuft aber nicht konfliktfrei. Erwin Rennert entwickelt sich zum Schulverweigerer, dafür wird er aber zum Kinospezialisten. Er trampt quer durch den amerikanischen Kontinent und bringt sich mit Gelegenheitsjobs durch.

Rennert erzählt seine Jugend nicht aus der Sicht des Opfers oder als Chronist eines Überlebenden, sondern als Beobachter seiner selbst. Der Ton ist leicht, distanziert mit einem Anflug von Selbstironie. Das Bittere wird nie bestimmend. Diese Autobiografie ist eine spannende Geschichte über die Bewältigung von Katastrophen durch Mut, Hoffnung und Wahrnehmung des Positiven; geschrieben in einem kultivierten, leider aussterbenden Deutsch einer vegangenen Epoche. Pointiert beschreibt er die Schauplätze: die Zufluchtsorte in New York, den geschützten Kosmos seiner Kindheit in der Gegend des Naschmarktes, der Schleifmühlgasse und der Margaretenstraße. Was man nicht kennt, würde man gerne kennenlernen. Der Leser ist mit ihm zu Hause oder "on the road, hitch-hiking" z.B. auf der berühmten Highway 66 mit nur ein paar lausigen, aber selbstverdienten Dollars in der Tasche.

Von den Eltern Pinka und Lea Rennert kamen ab 1942 keine Briefe mehr, sie wurden am 5. Oktober 1942 nach Minsk deportiert und dort ermordet.

 

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