Lily Brett
Aus dem Amerikanischen
von Melanie Walz
Wien/Frankfurt am Main:
Franz Deuticke 2001
655 Seiten, gebunden,
DM 49,90 /öS 364.- /sFr 45,60
ISBN 3-216-30508-2
Ruth Rothwax - drei gescheiterte Ehen und Besitzerin einer erfolgreichen
New Yorker Agentur - unternimmt mit ihrem Vater Edek, einem Auschwitzüberlebenden,
eine Reise nach Polen. Die Beiden besuchen Warschau und fahren dann
nach Lódz, der Heimatstadt von Ruths Eltern. Während die
Tochter sich immer wieder hasserfüllte Ausbrüche gegenüber
Polen leistet, scheint es, dass Edek der Geschichte gegenüber
gleichgültig ist. Trotz allen erlebten Leides ist er Menschen
gegenüber offen geblieben. Während ihrer Reise macht Ruth
eine ungewöhnliche "Bekanntschaft": plötzlich
hört sie die Stimme von Rudolf Höß, dem ehemaligen
Lagerkommandanten von Auschwitz. Die beiden führen öfters
Dialoge, in denen Ruth genauestens über die Vorgänge im
Konzentrationslager informiert wird. Zu den beeindruckendsten Momenten
dieses Buches zählt die Episode, als Ruth und ihr Vater das ehemalige
Wohnhaus seiner Familie in Lódz besuchen. In der früheren
Wohnung lebt seit 1940 ein polnisches Ehepaar. Als dieses ihnen Tee
anbietet, erkennt Edek das Service wieder: es gehörte seinen
Eltern. Später kehrt Ruth allein zu ihnen zurück und kauft
ihnen neben dem Geschirr auch Photos und einen Mantel ab, in den Namen
und Initialen von Edeks Vater eingestickt sind. Als Ruth ihrem
Vater die Photos zeigt, rührt er sich nicht: er "saß
so still, daß es aussah, als hätte er zu atmen aufgehört.
Ruth wünschte, er würde etwas sagen. Sie wollte sich vergewissern,
daß alles in Ordnung war. Edek schwieg. Er hob den Kopf, als
wolle er etwas sagen. Und dann begann er zu weinen. Er weinte ohne
aufzuhören." Die Bilder zeigen seine Familie. |