DIE SÜDJEMENITISCHEN JUDEN
Renate Meissner
Versuch einer Rekonstruktion
ihrer traditionellen
Kultur vor dem Exodus.
Frankfurt am Main/
Berlin/Bruxelles/Bern/New York/Wien: Peter Lang 1999
197 Seiten, broschiert,
69.- DM/ 467.- ÖS,
ISBN 3-631-34775-8
In den Jahren 1949/1950 organisierte der noch junge Staat Israel die
Operation Auf den Schwingen des Adlers, bei der alle südjemenitischen
Jüdinnen und Juden nach Israel transportiert wurden. Durch diesen
Exodus kam es praktisch zu einem Ende der jüdischen Gemeinden im
Südjemen.
Die Wiener Ethnologin und Judaistin Renate Meissner schildert in ihrem
Buch die Geschichte dieser Gemeinden - eine Geschichte, die bis jetzt
nicht aufgeschrieben wurde. Überlieferungen wurden von Generation
zu Generation mündlich weitergegeben. Wichtig erscheint hier auch
der Begriff Urgent Anthropology, den man ruhig wörtlich als "dringende
Anthropologie" übersetzen könnte: Wissen sammeln und erhalten,
bevor es zu spät ist.
Die Autorin bekam Hauptinformationen während ihrer mehrmonatigen
Studienaufenthalte in Israel, wo sie jemenitische Gruppen, die meist in
Kleinstädten oder Moschavim (landwirtschaftliche Siedlungen) leben,
kennenlernte. Neben herzlicher Gastfreundschaft fand sie auch bereitwillige
Hilfe bei ihren Recherchen. So konnte sie Interviews, zum Beispiel über
die Stellung der Frauen, religiöses Brauchtum und Beziehungen zu
den muslimischen Nachbarn, führen. Auch die Teilnahme an religiösen
Festen wie Purim und Pessach ermöglichte ein Vertrautwerden mit den
Menschen und ihrer Kultur. Besonders Augenmerk wurde vor allem auf die
Geschichte jüdischer Siedlungen zwischen Aden und Hadramawt gelegt,
eine Gegend, die bis dahin ein weißer Fleck zu sein schien.
Das Buch vermittelt ein komplexes Bild der verschiedenen Lebensbereiche:
soziale Struktur, Umwelt, Wirtschaft und Religion. Die Betrachtungen zeigen
auch, dass es enge Beziehungen zwischen Jüdinnen/Juden und Moslems
gab. Das Leben zeichnete sich durch gegenseitigen Respekt voreinander
aus. So kannten die Muslims die Schabbatvorschriften, bei Einladungen
zum Essen wurde auf die Speisegesetze Rücksicht genommen. Juden waren
oft auch wichtige Berater der lokale Herrschaft, in Rechtsfragen wandten
sich muslimische Richter manchmal an jüdische Autoritäten.
Renate Meissner zeigt uns in ihrem beeindruckenden Werk auch einen Blick
auf eine Kultur, die abrupt aus ihrer Lebensumwelt geworfen wurde und
sich oft nur mühsam an die sogenannte "moderne" Zivilisation
anpassen konnte. Es bleibt zu hoffen, dass junge Israelis jemenitischer
Abstammung, die oft in Unkenntnis ihrer eigenen Tradition leben, ihre
Wurzeln entdecken können. It is urgent - es ist dringend...
Monika Kaczek
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