Ernst Draxl, Stefan Schennach
Ein Portrait des FC Sturm-Graz Trainers Ivica Osim
Klagenfurt: Wieser-Verlag, 2002
209 Seiten, € 21,80
ISBN 3-85129-375-4
Schennach und sein Koautor, der Sportjournalist Draxl,
beschreiben darin nicht nur den Fußball-Trainer,
sondern auch den Philosophen Osim, der einst in Sarajewo
neben dem Kicken Mathematik und Philosophie studierte.
"Philosophie gehört zum Leben, wie das tägliche
Brot", sagt Osim, der in diesem Buch auch ausführlich
auf den blutigen Balkankrieg eingeht. Immerhin hat ihn
der Krieg 3 Jahre von seiner Frau, 4 Jahre von seiner
Tochter Irma und mehr als 5 Jahre von seiner geliebten
Heimatstadt Sarajewo getrennt.
Osim war der letzte gesamtjugoslawische Teamchef, der
aus dieser Mannschaft ein Weltklasseteam formte, bevor
sie durch den Krieg zerbrach. Er musste mitansehen,
wie Nationalismus und Krieg auch den völkerverbindenden
Sport zerstörten. Der Mann aus Sarajewo wurde zum
Zeitzeugen. Aus Protest gegen die serbische Aggression
trat er zurück und flüchtete aus Belgrad nach
Athen und kam später ohne Pass nach
Graz. Deshalb sagt Osim im Buch von Schennach und Draxl
auch: "Grenzen sind gefährlicher als Religionen.
Daher müssen wir diese nationalen Grenzen endlich
überwinden und stattdessen neue Werte finden
ohne dabei unsere Heimat aufzugeben". Er erklärt
ausführlich, worin er die Wurzeln des Bosnienkrieges
sieht.
Ivica Osim, Fußballtrainer von Weltformat, nimmt
aber auch zu den Terroranschlägen in den USA, zum
komplizierten Verhältnis zwischen Islam und Christentum
Stellung, erklärt, welcher Politiker im dem meisten
Respekt abverlangt. Osim beschreibt ausführlich
sein Ideal Sarajewo, diesen multiethnischen und multireligiösen
Schmelztiegel, sein Zusammenleben mit Christen, Juden,
Orthodoxen und Moslems in seiner Kinder- und Jugendzeit.
"Der Mix der Kulturen und Religionen stellt für
alle eine Bereicherung dar", so Osim, der Sarajewo
mit Jerusalem und New York vergleicht und seine Heimatstadt
trotzdem als einzigartig in der Welt erklärt.
Trotzdem kommt Fußball nicht zu kurz, denn es
ist das Lebensthema des Bosniers. Für ihn ist alle
Freiheit im Stadion, das für Osim ein gemeinsamerer
Ort als die Kirche ist und in dem es keine sozialen
Unterschiede gibt. Wobei Osim speziell auf die Situation
von Arm und Reich in der Welt eingeht, Stellung bezieht.
Der 1941 als Arbeiterkind geborene Trainer setzt sich
vehement gegen Ausgrenzung, Ausländerfeindlichkeit
und für Multikulturalität ein. Aber sich selbst
präsentiert er als Skeptiker: "Ein Menschenleben
ist zu lang, um optimistisch zu sein".
Ein spannendes, ein informatives Buch, das aufräumt
mit den Klischees, Sportler hätten keine Positionen,
Haltungen oder gesellschaftliche Visionen.
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