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MINDERHEITENPROBLEME UND MINDERHEITENSCHUTZ
Alfred Gerstl

Sigrid Pöllinger
Das Engagement internationaler Organisationen.
Wien: Neuer Wissenschaftlicher Verlag GmbH. 2001.
Brosch., 149 Seiten, € 29,00
ISBN 3-7083-0029-7
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des realsozialistischen Systems in Mittel- und Osteuropa 1989 wurde in Europa ein überwunden geglaubtes Konfliktfeld erneut akut: die Problematik ethnischer Minderheiten. Ethnische Konflikte innerhalb multinationaler Staaten, wie dem ehemaligen Jugoslawien oder Moldawien, oder zwischen Staaten, wie Albanien, Mazedonien oder Lettland, wurden virulent.
Doch es sind nicht nur die "neuen" Demokratien in Mittelosteuropa, welche immer wieder Schwierigkeiten bekunden, den Wert und die kulturellen Bedeutung von Minderheiten für eine Gesellschaft anzuerkennen. Auch gefestigte Gesellschaften haben häufig Mühe, Toleranz und Offenheit gegenüber Menschen mit "anderer" Abstammung oder abweichenden Lebensentwürfen an den Tag zu leben. Österreich ist, wie der Konflikt um die Minderheitenrechte der Kärntner Slowenen illustriert, leider keine Ausnahme.
750 Millionen Menschen leben in Europa zwischen Atlantik und Ural, über 100 Millionen gelten als Angehörige der mindestens 180 Minderheiten. Angesichts des nationalen wie zwischenstaatlichen Konfliktpotenzials, das aus diesen Zahlen spricht, ist der Autorin Sigrid Pöllinger vorbehaltlos zuzustimmen: "Der Schutz von Minderheiten ist (...) auch aktive Friedenspolitik." Eine vordringliches Anliegen muss es deshalb bleiben, im UNO-Rahmen endlich eine anerkannte Definition von "nationalen Minderheiten" zu entwickeln.
Die britische Bill of Rights 1689, die amerikanische Virgina Bill of Rights 1776 und die Erklärung der Menschenrechte im Zuge der Französischen Revolution 1789 sind ebenso wegweisende wie klassische Rechtsdokumente, in denen die Grundrechte der Bürger in einer nationalstaatlichen Verfassungsordnung festgehalten wurden. Dass Menschen- und Bürgerrechte als Grundrechte jedes Menschen zu einer Frage des internationalen Rechts, also unabhängig von nationalstaatlichen Rechtsordnungen, wurden (v.a. UN-Menschenrechtsdeklaration 1948), ist dagegen ein neues Phänomen der letzten Jahrzehnte.
Für den Minderheitenschutz bietet diese Internationalisierung neue Chancen: Minderheitenangehörige, die sich ungerecht behandelt fühlen, können sich nicht nur an nationale Instanzen wenden, sondern mehr und mehr an internationale Organisationen. Besonders erwähnenswert sind, auf europäischer Ebene, der Europarat und die OSZE (früher: KSZE). Die hat im Jahr 1992 einen Hohen Kommissar für nationale Minderheiten eingesetzt sowie Missionen zur Früherkennung und Verhütung von Minderheitenkonflikten eingerichtet.
Die entsprechenden Anstrengungen – und Schwierigkeiten – der OSZE um den Minderheitenschutz in den zahllosen Konflikten in Europa, insbesondere in den Räumen des ehemaligen Jugoslawien und der Sowjetunion, nehmen einen Hauptteil des gut lesbaren Buches von Sigrid Pöllinger ein. Insgesamt vermittelt Pöllinger, seit über zwei Jahrzehnten in der Friedens- und Minderheitenforschung aktiv, einen guten Überblick über die Entstehung des Minderheitenschutzes und von internationalen Organisationen. Kurze Darstellung der Situation von zwei Völkern ohne eigenen (Mutter-)Staat, die Kurden bzw. die Sinti und Roma, sowie der Situation der Volksgruppen in Österreich runden das empfehlenswerte Buch ab.

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