Johannes Feichtinger
Österreichische Hochschullehrer in der Emigration
1933-1945
Frankfurt am Main: Campus Verlag 2001,
502 Seiten, € 52.50 [A]
ISBN 3-593-36584-7
In den dreißiger Jahren verließen zahlreiche
Wissenschaftler, denen aus politischen oder rassischen
Gründen eine Universitätsstelle verwehrt blieb,
Österreich. Ihr Ziel waren vor allem die angelsächsischen
Länder; das Hochschulwesen in Palästina befand
sich erst im Aufbau und die Stellenkapazität war
nach der Emigration der deutschen Juden erschöpft.
Johannes Feichtinger untersuchte auf Grundlage der Korrespondenzen
der Wissenschafter mit den Akademikerhilfsorganisationen
und zusätzlicher Materialien in Nachlässen
die Strategien und weiterfolgenden Karrieremöglichkeiten
der österreichischen Exilanten. Die meisten von
ihnen gehörten dem assimilierten, oft auch bereits
getauften Judentum an. Eine der Voraussetzungen, die
diese Schicht mitbrachte, war eine umfassende Bildung.
Deren Ursache war aber oft, daß die jungen Akademiker
keine Stellung fanden und daher die Zeit für die
weitere Bildung fanden.
Eine weitere Folge der gesellschaftlichen Außenseiterposition
waren die außeruniversitären, privat gebildeten
Kreisformationen der Zwischenkriegszeit, die Feichtinger
als "Relikte der bürgerlich geprägten,
spätaufklärerischen Salonkultur" interpretiert.
Der Autor untersuchte hier konkret das Misessche Privatseminar,
die Nationalökonomische Gesellschaft, das Österreichische
Institut für Konjunkturforschung und den sogenannten
"Geist-Kreis".
Das Schicksal vieler Wissenschaftler in der Emigration
bedeutete vorerst eine Deakademisierung. Besonders schwierig
hatten es dabei die Juristen. Der Autor schreibt in
diesem Zusammenhang: "Eine redliche sowie fundierte
Studie zum Wissenstransfer muß daher auch auf
gescheiterte Transfers Bezug nehmen; dafür ist
es jedoch notwendig, die Namen jener Juristen, deren
Plazierung mißglückte, zu kennen und die
Ursachen für die gescheiterten Aufnahmen in Zielmilieus
zu bestimmen." Tragisch verlief das Schicksal des
Rechtsprofessors Stefan Brassloff und des Senatspräsidenten
des Oberlandesgerichts Heinrich Klang. Sie blieben in
Österreich, da sie nur dann auswandern wollten,
"wenn auf sie eine angemessene akademische Stellung
im Ausland wartete." Brassloff starb wegen unzureichender
Medikamente im Konzentrationslager Theresienstadt; Klang
überlebte das Lager und konnte nach 1945 seine
Tätigkeit fortsetzen.
Ein weiteres Kapitel widmet Feichtinger der österreichischen
Schule für Kunstgeschichte, wobei besonders der
Abschnitt über den bedeutenden Kunsttopographen
und Musealreformer Hans Tietze, den Autor des Buches
"Die Juden Wiens" hervorzuheben ist.
Die Studie ist ein überaus wichtiger Beitrag zur
österreichischen Wissenschaftsgeschichte und Emigrationsforschung.
Der Autor ist zur Zeit Mitarbeiter des Spezialforschungsbereiches
"Moderne" an der Universität Graz.
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