Eleonore Lappin (Hrsg.)
Kontinuitäten und Brüche.
Berlin, Wien: Philo 2002
220 Seiten / € 24,90
ISBN: 3-8257-0270-7
Im Juli 2001 fand die bislang 11. Sommerakademie des Institut für
Geschichte der Juden in Österreich statt. Thema
waren Kontinuitäten und Brüche jüdischer
Gemeinden, wobei drei Schwerpunkte gesetzt waren: 1.
Das Erbe der Habsburger Monarchie, 2. Israelitische
Kultusgemeinden in Österreich, 3. Juden auf Wanderschaft.
Dementsprechend ist auch der von Eleonore Lappin herausgegebene
Tagungsband gegliedert. Damit wird die Entwicklung der
österreichischen Gemeinden in einen internationalen
Kontext eingebettet und der Blick über den Tellerrand
des österreichischen Staatsgebietes erhoben. In
einem erweiterten Österreichschwerpunkt werden
die Gemeinden der ehemaligen Habsburgermonarchie mit
einbezogen, aber auch der Blick auf internationale Trends
wie zum Beispiel in Russland, Amerika oder Frankreich
wurde nicht vergessen. So entsteht ein lebendiges Bild
unterschiedlichster Lebensbedingungen der jüdischen
Lebenswelten auf der ganzen Welt. Besonders verdienstvoll
ist, dass in den Artikeln über Gemeinden in Triest,
Czernowitz, Pressburg und Ungarn fast ausschließlich
Forscher aus diesen Ländern zu Wort kommen. War
es bis zum Zerfall des sogenannten Ostblocks 1989 üblich,
einen Mantel des Schweigens über die Schicksale
der jüdischen Gemeinden zu breiten, so haben sich
in den letzten Jahren vermehrt einheimische Forscher
damit auseinandergesetzt und versuchen langsam an den
westlichen Forschungsstand anzuschließen. Um so
wichtiger, dass diesen Forschern auch im Westen eine
Plattform und Publikationsmöglichkeit geboten wird,
die es ermöglicht ihre Ergebnisse einem westlichen
Publikum vorzustellen. Damit werden auch informelle
und persönliche Kontakte geknüpft die wiederum
einen vertieften Austausch ermöglichen von dem
beide Partner profitieren können.
Klar wird in den verschiedenen Artikeln, wie eng die
Schicksale der Gemeinden mit den politischen, wirtschaftlichen
sowie kulturellen Entwicklungen ihrer Heimatländer
verbunden waren, und je nach Region einen sehr unterschiedlichen
Verlauf nehmen konnten. Gefragt wird in diesem Band
aber auch nach dem "Erbe der Habsburgermonarchie",
was in den Nachfolgestaaten davon noch lebendig ist.
Leider muss konstatiert werden, dass die Gemeinden der
ehemaligen Monarchie nach der Katastrophe der Schoa
nicht auch nur annähernd ihre ehemalige Bedeutung
zurückgewinnen konnten und heute, trotz kleiner
hoffnungsvoller Fortschritte, mehrheitlich einen Kampf
ums Überleben führen.
Besonderes Augenmerk wird den jüdischen Gemeinden
in der Republik Österreich gewidmet. Auch hier
fällt der Befund sehr ernüchternd aus. Nur
die wenigsten der Rückkehrer nach dem Zweiten Weltkrieg
blieben in Österreich. Die Judenfeindschaft überlebte
den Holocaust im privaten und öffentlichen Bereich
und erschwerte den von Anfang an nicht leichten Aufbau
neuer Gemeindestrukturen. Zwar entspannte sich in den
80er Jahren das Verhältnis zur nichtjüdischen
Umgebung und es konnten zahlreiche infrastrukturielle
Verbesserungen erzielt werden, dennoch lässt eine
noch immer vorhandene Abwanderung um den Bestand der
Gemeinden fürchten. Der dritte Teil des Bandes
lenkt den Blick auf internationale Trends und beleuchtet
die Auswirkung von Emigration, die an Hand des jüdischen
Lebens in Deutschland, russischer Juden in Argentinien,
deutscher Juden in Bolivien, der jüdischen Immigration
von Nordafrika nach Israel, der jemenitischen Heimholung
und einigen anderen Beispielen gezeigt werden. Abschließend
stellt Sergio della Pergola (Professor an der Hebräischen
Universität in Jerusalem) in seiner demographischen
Studie fest, dass nach den großen Umbrüchen
der letzten Jahrzehnte nun ruhigere Zeiten für
die jüdische Bevölkerung weltweit anbrechen.
So nebenbei zeigt dieser Tagungsband aber auch wie unverzichtbar
mittlerweile das Institut für die Geschichte der
Juden in Österreich für die Darstellung der
Geschichte des österreichischen und europäischen
Judentum geworden ist und mit seinen zahlreichen Publikationen
seiner Mitarbeiter einen international beachteten Beitrag
zur Forschung leistet.
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