Rüdiger Jungbluth
Ihr leiser Aufstieg zur mächtigsten Wirtschaftsdynastie
Deutschlands,
Frankfurt / New York: Campus Verlag 2002,
390 Seiten / € 24,90.
ISBN 35-933-69400
Kaum bekannt ist, dass die Familie Quandt zum deutschen
Geldadel gehört. Auf über 20 Milliarden Euro
werden ihre Vermögen geschätzt. Der Wirtschaftsjournalist
Rüdiger Jungbluth, hat erstmals umfassend den leisen
Aufstieg der Quandts zu einer der mächtigsten Wirtschaftsdynastien
Deutschlands rekonstruiert. Kein leichtes Unterfangen,
denn die Quandts zeigten sich bei den Recherchen wenig
kooperativ. Die Quandts zeigten wenig Interesse an einer
Biografie. Familienarchive werden unter Verschluss gehalten.
Nur die Generation der Erben stand dem Autor für
Interviews zur Verfügung. Jungbluth ist es daher
nicht immer leicht gefallen die einzelnen Familienmitglieder
treffend zu charakterisieren.
Zwischen Triumph und Tragödie pendelt die Familiengeschichte
der Quandts: Der märchenhafte Aufstieg begann Ende
des 19. Jahrhundert: Emil Quandt arbeitete sich vom
Lehrling zu einem der größten Textilfarbrikanten
des Kaiserreichs empor. Sein Sohn Günter Quandt
wagte sich aufs Börsenparkett. Diskret kauft er
Aktien von Unternehmen auf. Meilenstein auf dem Weg
zum Wirtschaftsimperium war der Übernahme - Coup
der Akkumulatoren-Fabrik (AFA). Quandt bootete den legendären
Bankier Fürstenberg aus.
Jungbluth zeichnet das Portrait eines Konzernherrn nach,
der kaum moralische Skrupel gekannt hat, und für
den Geschäftsinteressen immer an erster Stelle
standen. So gehörte Günther Quandt zu den
ganz großen Profiteuren des von den Nazis entfachten
Weltenbrands.
Der Biograf leuchtet die Rolle des Quandt-Konzerns in
der NS-Zeit objektiv aus. Transparent wird ein bisher
weitgehend verborgen gebliebenes Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte.
Quandt hatte maßgeblichen Anteil am Rüstungswunder
des NS-Staats. Die AFA lieferte für die strategisch
wichtige U-Bootflotte des dritten Reichs die Batterien.
Quandt war ein früher Nutznießer der Arisierung,
und beschäftigte in den Akkumulatorenfabriken Zwangsarbeiter.
Hunderte von ihnen starben an den Folgen von Bleivergiftungen
und Misshandlungen der SS.
Ein Tabuthema für die Quandts bis zum heutigen
Tage. Direkte Entschädigungsforderungen ehemaliger
Zwangsarbeiter sind von der Varta immer kategorisch
abgelehnt worden. So als ob die dunklen Schatten der
Vergangenheit mit der Umbenennung des Firmennamens abgeschüttelt
werden konnten.
Anders als die anderen Rüstungsbosse - wie Alfried
Krupp und Friedrich Flick - übersteht Günther
Quandt die Entnazifizierung glimpflich. Er wird vom
Vorwurf der Mittäterschaft freigesprochen.
Nach dem Krieg wird ein neues Kapitel aufgeschlagen:
Die Quandt-Unternehmen kommen schnell wieder auf die
Beine. Unter der Ägide von Herbert Quandt erreichen
die Unternehmensbeteiligungen neue Höhen. 1960
stieg er bei den angeschlagenen bayerischen Motorenwerken
ein, und verhindert so die Übernahme durch Daimler-Benz.
Die Investition in BMW erwies sich als meisterhaft:
Heute hat der Münchner Automobilkonzern Daimler
hinter sich gelassen. BMW erzielte im vergangen Jahr
einen Jahresumsatz von fast vierzig Milliarden Euro.
Kontrolliert werden die Besitzverhältnisse bei
BMW von Johanna und Stefan Quandt sowie Susanne Klatten.
Die Quandt-Erbin kann wohl als die reichste Deutsche
gelten. Außer ihren Anteilen an BMW, hält
sie die Mehrheit an der Altana AG. Die Altana entwickelte
sich innerhalb von nur zwei Jahrzehnten aus der ehemals
zur Varta gehörenden Pharma - und Diätethiksparte
zu einem international ausgerichteten Pharmakonzern.
Einmal mehr haben die Quandt-Erben bewiesen, dass sie
auch in der dritten Generation an den Erfolg ihres Großvaters
anknüpfen können. Sie sehen sich als Garanten
einer unternehmerischen Unabhängigkeit, die in
Deutschland vom Aussterben bedroht ist.
Gemäß der Familientradition bevorzugen sie
dabei die leisen Töne. Die Quandts agieren hinter
den Kulissen. Skandalumwitterte Schlagzeilen sucht man
vergebens. So verblasst die jüngste Familiengeschichte
gegenüber der triumphalen und umstrittenen Vergangenheit.
Die Quandt-Erbin, Susanne Klatten, empfindet eine "Verbundenheit
mit der Geschichte der Familie". Hinzuzufügen
ließe sich, dass Unternehmen nur dann ihrer Geschichte
gerecht werden, wenn sie sich ihrer Vergangenheit stellen.
Ein Zeichen in diese Richtung setzt die jüngst
ins Leben gerufene Stiftungsinitative der deutschen
Wirtschaft. An ihr haben sich auch die aus dem Quandt-Imperium
nach 1945 hervorgegangenen Unternehmen beteiligt.
Doch das Bekenntnis zur Mitverantwortung an den
Verbrechen des Nationalsozialismus kommt für viele
ehemalige Zwangsarbeiter und ihre Angehörigen zu
spät.
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