Reiner Stach
Die Jahre der Entscheidungen
Frankfurt am Main: Fiescher Verlag 2002
673 Seiten mit 32-seitigem Bildteil / € 29,90.
ISBN 3-10-075114-0
Der 1951 im sächsischen Rochlitz geborene Wissenschaftslektor
und Sachbuchautor Reiner Stach hat im S. Fischer Verlag
ein umfangreiches Buch über Kafkas entscheidende
Jahre herausgegeben. Die Zeit zwischen 1910 und 1915
ist jene, in der sich der junge und ungebundene Franz
Kafka in einen verantwortungsbewussten Beamten und meisterhaften
Schriftsteller verwandelt. In diesem Zeitraum schreibt
er seine maßgebenden Werke. "Das Urteil",
"Die Verwandlung", "Der Verschollene"
und "Der Process" entstehen. Kafka stellt
in diesem Jahren auch alle Weichen, die sein weiteres
Leben bestimmen. Er begegnet nun dem religiösen
Judentum, macht die erste Schritte in die Öffentlichkeit,
erlebt die Katastrophe des Kriegsausbruchs und kämpft
um die später doch scheiternde Beziehung
zu Felice Bauer. Es sind Jahre einer beispiellosen Intensität.
Stachs Buch ist beileibe nicht uninteressant, auf nahezu
siebenhundert Seiten lässt sich auch vieles dokumentieren,
doch hat diese Partialbiographie einen wesentlichen
Mangel, sie berücksichtigt weder relevante Sekundärliteratur
noch neuere Forschungsergebnisse. Ein Autor, der zum
Beispiel Hans Helmut Hiebel übersieht, hat seinen
Kafka noch nicht gründlich studiert. Beginnt man
die weitere Untersuchung beim ersten Buchstaben des
Alphabets, fehlen einem Beda Allemann und Günther
Anders. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Dieses Buch zeigt zwar einige neue Aspekte auf, wird
aber keine "neue(n) Maßstäbe in der
deutschsprachigen Biographik" setzen, wie der Verlag
den Rezensenten affirmativ mitteilt.
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