... SIND WIR DOCH IN UNSERER HEIMAT ALS
LANDMENSCHEN AUFGEWACHSEN ...
Horst Dolezal
Christoph Lind
Der "Landsprengel" der Israelitischen
Kultusgemeinde
St. Pölten: Jüdische Schicksale zwischen Wienerwald und Erlauf.
Linz: Landesverlag 2002, 399 Seiten, 19,90, ISBN: 3-85214-759-X
Der Autor hat vor vier Jahren ein Buch über das
Schicksal der jüdischen Gemeinde der Stadt St. Pölten
vorgelegt (siehe "Die Gemeinde" Nr. 503, I/2000, S. 55),
nunmehr sind es die auf dem Lande lebenden Angehörigen
der Kultusgemeinde St. Pölten, denen er seine Arbeit
widmet.
Behandelt werden die Bezirke St. Pölten-Land und
Lilienfeld sowie die Gerichtsbezirke Neulengbach und Purkersdorf. Nach einer nur skizzenhaften Einführung des
jüdischen Lebens in diesem Gebiet bis 1850 bildet
insbesondere die Aufarbeitung des Geschehens von den
Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts bis in die
Jahre nach 1945 den Schwerpunkt seiner Darstellung.
Dem
Schicksal der im März 1938 hier lebenden 519 Personen
wird akribisch nachgegangen rund ein Drittel fiel den
Verfolgungen des Nationalsozialismus zum Opfer. Die
durchgearbeiteten Archivbestände (vor vier Jahren konnte
auf dieses Material noch nicht in vollem Umfang
zurückgegriffen werden) und die vielen, ausgewerteten
schriftlichen Aufzeichnungen und Interviews von
Betroffenen erbrachten eine derartige Fülle von
Material, die das Buch zu einem "Geschichtsbuch" von
besonderer Bedeutung machen. Hier wird mit Wahrheit
offen umgegangen, so werden z. B. nicht nur die Namen
der Beraubten, sondern auch die Namen der Ariseure
angeführt, an etlichen Einzelfällen der Verlauf der
Enteignungen bis zu ihrer eventuellen Restitution
dargestellt.
Beschrieben wird die systematische
Entrechtung der jüdischen Bevölkerung, die Arisierung
ihres Vermögens, ihre Vertreibung und letzlich
Deportation. Eine Reihe von Verzeichnissen im Anhang wie
"...Personen...die als Juden oder Mischlingegalten",
"Verzeichnis des Vermögens von Personen, die nicht im
Landsprengel lebten" und anderes bieten durch ihren
Detailreichtum dem einen oder anderen Leser eventuell
die Möglichkeit, ergänzende Angaben zur Verfügung zu
stellen, was der Intention des Buches entspricht. Ein
Band, der sich würdig einreiht in die schon vorliegenden
Bearbeitungen einzelner niederösterreichischer Städte
wie Mödling, Krems, Neunkirchen u.a.
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