Juden in der ehemaligen Sowjetunion.
Ihre Geschichte - ihre Gegenwart.
Ilmmünste: Rist Satz & Druck GmbH 2003.
48 Seiten
Seit kurzem liegt eine bemerkenswerte
Veröffentlichung der Gesellschaft zur Förderung
jüdischer Kultur und Tradition e.V., München, vor, die
die Vorträge vereint, die anläßlich der jüdischen
Kulturtage zwischen dem 16. und 24. 11. 2002 in der
bayerischen Hauptstadt gehalten wurden.
"Die seit mehr als einem Jahrzehnt
stattfindende massive Einwanderung von Juden aus der
ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland bot sich aktuell
als Leitthema der 16. Jüdischen Kulturtage," schreibt in
ihrem Vorwort die Vorsitzende der Gesellschaft, Ilse
Ruth Snopkowski, die auch für die Redaktion - zusammen
mit Christine von Nordenskjöld - verantwortlich
zeichnet.
Die einzelnen Vorträge bzw. Texte
stammen von Prof. Dr. Stefan Schreiner ("Zwischen Hammer
und Sichel"), Prof. Dr. Leonid Lux ("Von der
antikosmopolitischen Kampagne bis zur Ärzte-Affäre"),
Ithak Luden ("Der jüdische Arbeiterbund"), Andrej
Jendrusch ("Der Weg der toten Dichter"), Ida Hubermann
("Das Moskauer Jiddische Staatstheater, GOSET"), Beate
Schröder-Nauenburg ("Hebräische Melodie"), Juri Ginsburg
("Der dreizehnte Stamm: Moskauer Eindrücke"), Samson
Mandiewski ("Jüdische Hochschulen und Wissenschaftler im
heutigen Russland"), Helga Embacher "(Die verschiedenen
Einwanderungswellen aus Russland und der Sowjetunion im
20. Jahrhundert"), Leibl Rosenberg ("Immigration -
Integration") und Boris Chasanow ("Lunge und Kiemen der
Sprache").
Mit diesen vielfältig informierenden
Beiträgen sollen "Schlüsselereignisse jüdischer
Geschichte während der sowjetischen Ära" aufgezeigt
werden, "die die Mentalität der heutigen Immigranten
mitgeprägt haben," schreibt Ilse Ruth Snopkowski.
"Darüber hinaus sollte Gelegenheit gegeben werden, die
verschiedenen Integrationsprobleme, mit denen die
Neueinwanderer in der Bundesrepublik konfrontiert sind,
in Diskussionsveranstaltungen zu definieren und
diskutieren."
Die Textreihe endet mit einem
beeindruckenden Beitrag des Schriftstellers Boris
Chasanow, der seit 1982 in Deutschland lebt. Er erzählt
unter anderem von einem Moskauer Juden, der aus einer
Familie stammte, wo dreizehn Generationen dem Volk
dreißig gelehrte Kenner des Talmuds und der heiligen
Sprache geschenkt hatten. Dieser Jude kam "im
neunzigsten Jahrzehnts seines Lebens nach Jerusalem,
ging auf der Straße und stellte einem barfüßigen Jungen
eine Frage, auf die jener verächtlich antwortete: "Opa,
du sprichst schlechtes Iwrith."
"Die Emigration beginnt," schreibt
Chasanow weiter, "wenn das Trugbild des himmlischen
Jerusalems im Getümmel des irdischen Jerusalems
verschwindet, wenn eine kleine Rotznase Ihre Verbformen
verbessert, wenn die Philologie vor dem Leben
kapituliert." Und er schließt mit der Folgerung: "Die
Emigration ist Schwimmen im Meer, immer weiter weg vom
Ufer, so daß man sich ganz allmählich mit silbrigen
Schuppen bedeckt, die Lunge sich mit Wasser füllt und
einem unbemerkt Kiemen wachsen; die Emigration ist die
Verwandlung in ein Amphibium, das sich noch auf der Erde
bewegen kann, aber schon davon träumt, wie es am
schnellsten wieder ins Wasser gelangt."
Die inhaltsreiche Broschüre kann angefordert werden
von der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und
Tradition e.V., Postfach 860363, D-81630 München.