Solomon Atamuk
Ein geschichtlicher Überblick vom
14. bis 20. Jahrhundert
Aus dem Litauischen von Zwi Grigori
Smoliakov
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
Konstanz: Hartung-Gorre Verlag 2000
ISBN 3-89649-200-4
Bereits 1990 erschien eine von dem
Historiker Solomon Atamuk verfasste Geschichte der Juden
Litauens in Jiddisch, Litauisch und Russisch. Nach
Aussage des Autors war es der erste Band dieser Art in
Litauen und der damaligen Sowjetunion. Für die deutsche
Übersetzung sammelte er eine Fülle von weiterem
Material, das teilweise niemals zuvor veröffentlicht
worden war.
Nach den Verfolgungen im
mittelalterlichen Europa, flüchteten viele Juden in den
Osten und gelangten so nach Polen und Litauen, wo ihnen
von den Großfürsten diverse Privilegien erteilt wurden
und in der Folge zahlreiche jüdische Gemeinden
entstanden. Es gab immer wieder Verfolgungen,
Zerstörungen, vor allem auch während der Pogrome im 17.
Jahrhundert. Trotzdem konnte sich immer wieder jüdisches
Leben und eine reiche Kultur entwickeln.
Wilna wurde mit seinen Hochschulen
und Synagogen zu einem Zentrum der jüdischen
Gelehrsamkeit, deren berühmtester Vertreter der Gaon von
Wilna Elijah Ben-Salomon Zalman (1720-1797) war.
Bevor 1795 fast ganz Litauen bis 1918
unter russische Herrschaft kam, lebten bereits 250.000
Juden im Großfürstentum.
Ausführlich beschrieben werden die
Geschehnisse während der Shoah, bei der 200.000, d.h.
90-95% aller litauischen Juden ermordet wurden. Sie
wurden zuerst in Ghettos gesperrt, dann entweder in
Vernichtungslager deportiert oder in den Wäldern
erschossen.
In vielen Orten verübten Litauer
schon vor oder kurz nach dem Einmarsch der Wehrmacht
Massaker an den Juden. Groß war auch der Anteil an
Litauern, die unter der Herrschaft der SS bei der
Ermordung nicht nur der litauischen, sondern auch der
aus anderen europäischen Ländern deportierten Juden
beteiligt waren. Aber es gab auch Menschen, die unter
Lebensgefahr Juden retteten.
Solomon Atamuk gibt einen genauen
Einblick in die Debatten ab 1990/ 1991, den ersten
Jahren nach der Unabhängigkeit, um das Thema
"Vergangenheitsbewältigung". Die Anerkennung der
Beteiligung von Litauern an den Verbrechen gegen die
Juden wurde von manchen Gruppen geleugnet, man sah sich
selbst nur als Opfer der Sowjets. Anderseits gibt es
aber sehr aktive Bemühungen von litauischer Seite um
eine wahrheitsgemäße Darstellung der Vergangenheit.