http://david.juden.at  
 
 

unterstützt von:


 

LIEBE TANTE FORI

Monika Kaczek

Martin Gilbert

Eine Geschichte der jüdischen Kultur, erzählt in Briefen

Aus dem Englischen von Yvonne Badal

Rowohlt: Reinbek bei Hamburg 2003

528 Seiten, gebunden

Euro 25,60 (A)/ sFr 43,70

ISBN 3-498-02495-7

Nach Beendigung seines Geschichtsstudiums unternimmt Martin Gilbert im Jahre 1958 eine abenteuerliche Reise von seiner Heimat England nach Indien. Mit im Gepäck hat er ein Empfehlungsschreiben seines Studienfreundes Ashok Nehru, der ihn auch bittet, in New Delhi unbedingt seine Mutter zu besuchen. Dort angekommen, erkrankt Martin Gilbert schwer und wird von Ashoks Mutter Fori liebevoll gesund gepflegt. Seit diesem Jahre korrespondieren Tante Fori, wie Martin Gilbert sie ab nun nennt, und der Autor regelmäßig. Anläßlich ihres neunzigsten Geburtstages 1998 besucht er Tante Fori, die ihn eines Tages fragt, ob er ihr ein Buch über die Geschichte des Judentums empfehlen könne. Und da beginnt sie ihre Geschichte zu erzählen: in Wahrheit ist sie Jüdin und wurde am 5. Dezember 1908 als Magdolna Friedmann in Budapest geboren. Ihre Eltern sind prominente Mitglieder der dortigen Jüdischen Gemeinde, der Vater hat einen Sitz in der berühmten Dohany-Synagoge. Die Familie ändert ihren Namen Friedmann in Forbarth, was Magdolna den Spitznamen Fori einträgt. Als Magdolna ihr Studium in Budapest beginnen will, wird sie wegen der strikten Zulassungsquoten für jüdische StudentInnen abgelehnt. So studiert sie in England, wo sie 1930 den Inder B. H. Nehru, einen Cousin Jawaharlal Nehrus, kennen und lieben lernt. Als das Paar heiraten will, sind beide Familien besorgt. Doch die Liebe siegt, und nach der Trauung 1935 begleitet Fori ihren Mann nach Indien, wo sie sich bald sehr für soziale Belange, wie Flüchtlingshilfe, einsetzt. Erst 1949 reist Fori mit ihren drei Söhnen nach Ungarn, um ihren Vater zu besuchen. Ihr Sohn Ashok erinnert sich: »Es war das erste Mal, dass wir sie in westlicher Kleidung sahen. (...) Jeden Abend, wenn sie zurückkam, weinte sie. Viele Leute, die sie gekannt hatte, waren im Krieg umgebracht worden.«

Da Tante Fori im hohen Alter die Ursprünge des Volkes, "dem sie angehörte, dessen Diaspora in Ungarn sie jedoch siebenundsechzig Jahre zuvor gegen Hitze, den Staub und die Herausforderungen Indiens eingetauscht hatte", erfahren möchte, beginnt der nun schon renommierte Historiker Martin Gilbert, ihr diese Geschichte in Briefen zu schreiben. Die Briefe der Ausgabe sind in vier Abschnitte eingeteilt. Der erste Bereich betrifft die biblische Zeit; der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Geschichte vom Aufstand der Hasmonäer bis Theodor Herzl. Teil III widmet sich dem 20. Jahrhundert. Der vierte Teil behandelt Glaube und Gebet. In seinem letzten Brief schreibt der Autor: "Mir war es ein großes Vergnügen, diese Historie mit weit wenigen Zeilen darzustellen, als ich in den meisten meiner Bücher brauche - womit bewiesen wäre: Was einem am Herzen liegt, das lässt sich auch auf wenigen Seiten ausdrücken."

In einer Rezension der Neuen Zürcher Zeitung heißt es: "Mit historischen Lexika zur jüdischen Geschichte und zum arabisch-israelischen Konflikt und mit Studien über den Holocaust hat es der britische Historiker Martin Gilbert zu akademischem Erfolg gebracht – mit Geschichtsbüchern wie der illustrierten Geschichte der Juden im 20. Jahrhundert gelang ihm auch der Erfolg beim allgemeinen Publikum. Daran möchte Gilbert mit seinem neuesten Buch zur Geschichte der jüdischen Kultur anknüpfen, in dem er einen leichten Plauderton anschlägt und den schier unfassbaren Erzählstoff in überschaubare Portionen einteilt. In 140 Kapiteln erzählt Gilbert die jüdische Geschichte und die Geschichte des Judentums nach: vom Schöpfungsmythos über die Kreuzzüge und die Vertreibung aus Spanien bis hin zu den Pogromen und dem Holocaust – von Abraham und Moses über die kulturelle Blütezeit des sephardischen Judentums im Spanien des Mittelalters und den aschkenasischen Chassidismus im Osteuropa des 17. Jahrhunderts bis hin zur Aufklärung und zu den assimilatorischen Bewegungen der Moderne. Für dieses allumfassende erzählerische Vorhaben wählt Gilbert jene Gattung, die den Verzicht auf einen formalen Aufbau erlaubt und zugleich die inhaltliche Struktur vorgibt, nämlich den Brief. (...) Tatsächlich rekapitulieren die Briefe, wie der englische Titel ankündigt, «5000 Jahre Geschichte des jüdischen Volkes und seines Glaubens» und bieten eine gut lesbare Einführung ins Judentum."

Was kann man schöneres als die folgende Anekdote Martin Gilberts finden: "Eines Abends zwang mich Fori, eine Jacke anzuziehen. Ich versuchte ihr klar zu machen, dass es wirklich nicht kalt sei, aber sie ließ nicht mit sich handeln. Dann lachte sie: »Die jiddische Mame - ich kann’s halt nicht ändern.«"

Zurück

 

 
 
webmaster@david.juden.at

Unterstützt von haGalil.com
haGalil onLine