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WAS EINMAL WAR

Horst Dolezal

 

Sophie Lillie,

Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens.

Wien: Czernin Verlag 2003

1440 Seiten, EUR 69.-

ISBN 3-7076-0049-1

Ausgelöst durch die Beschlagnahme von Bildern aus der Sammlung Leopold anlässlich einer Ausstellung in Amerika durch dortige Behörden wurde in Österreich 1998 das Kunstrückgabegesetz beschlossen. Sechzig Jahre nach dem von Nazideutschland auch in Österreich bürokratisch spitzfindig organisierten Enteignungen jüdischer Familien, die zum Teil oft nur unter Zurücklassung ihres gesamten Vermögens ihr nacktes Leben retten konnten, hat der österreichische Staat endlich die Ungesetzlichkeiten dieser Ära festgeschrieben und die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass u. a. alle öffentlichen Museen und Sammlungen ihre ab 1938 erworbenen Bestände überprüfen und alle zweifelhaften Zuwächse melden. Es hat dies, nach den relativ bescheidenen Rückgaben in den ersten Nachkriegsjahren, zu einer Reihe, zum Teil spektakulären Restitutionen geführt, die aber gemessen am gesamten geraubten Vermögen nur einen Bruchteil darstellen, deren symbolische Bedeutung aber doch ein Schritt in Richtung der oft zitierten Aufarbeitung der jüngeren Geschichte Österreichs bedeutet. Die zu diesem Thema während der letzten Jahre erschienen Übersichtsdarstellungen und Beschreibungen einzelner Fälle füllen eine Bibliothek.

Was die Autorin in dem vorliegenden Band präsentiert, ist schlichtweg mehr als beeindruckend zu bezeichnen. Auch wenn sie sich im Vorwort bei einer langen Reihe von Personen und Institutionen, die sie unterstützt und die ihr zugearbeitet haben, bedankt, so wäre das Ergebnis trotz allem ohne ihren Einsatz und ohne ihrer Erfahrung als Restitutionsbeauftragte in der IKG Wien nicht zu erreichen gewesen. Es wird das Schicksal von nicht ganz 150 Kunstsammlungen jüdischer Familien und Einzelpersonen in Österreich beschrieben – dies ist aber nur eine Auswahl, bei der der Schwerpunkt wohl auf Gemäldesammlungen gelegt wird, trotzdem aber auch andere Kollektionen wie Glas, Porzellan, Bronzen u.a. behandelt werden. Auch eine Gewichtung zwischen großen und berühmten Sammlungen wie Rothschild, Altmann, Bondy und vielen kleineren und der Öffentlichkeit kaum bekannten wird angestrebt. Für die Auswahl ist sicherlich auch die Quellenlage von Bedeutung. Die Überbürokratisierung der staatlichen Stellen in dieser Zeit hat eine Unmenge von Aktenmaterial produziert, von dem sich wesentliche Teile erhalten haben. Hat man sich das Wissen um die Zusammenhänge bzw. die Zusammenarbeit der diversen öffentlichen Stellen erarbeitet, so finden sich doch des Öfteren detailreiche Unterlagen zu einzelnen Sammlungen und zu deren Schicksal. Die von den willfährigen Schätzmeistern dieser Jahre abgegebenen Schätzpreise geben allerdings oft ein verzerrtes Bild der Werte, die hauptsächlich vom Dorotheum durchgeführten Versteigerungen zeigen fast durchwegs, dass die angebotenen Gegenstände – Restbestände, nachdem Nazigrößen und Museen die besten Stücke für sich "organisiert" hatten – verschleudert wurden. In Einzelfällen konnte auf Aufzeichnungen aus den Jahren vor 1938 (Verkäufe, Erbschaftsunterlagen u.ä.) zurück gegriffen werden, wertvolle Unterlagen, um den Weg einzelner Werke (jedes Gemälde ist ein "Individuum") verfolgen zu können.

Bei jeder Sammlung, von Abramovicz bis Zuckerkandl, wird kurz der/die BesitzerIn mit biografischen Angaben und genealogischen Zusammenhängen vorgestellt (ein Detail: Wo konnten nur die vielen Fotos einzelner Personen(gruppen) gefunden werden?). Auf jeder Seite sind rechts die Anmerkungen mit Quellenangaben zu jeder Detailinformation angeführt. Die Fülle der ausgewerteten Quellen ist enorm und geht naturgemäß weit über die am Ende des Bandes angeführte reiche Auswahlbibliographie hinaus. Die zu den einzelnen Sammlungen gefundenen Bestandlisten werden komplett abgedruckt, das Schicksal einzelner Stücke, soweit möglich, beschrieben. Bereits rückerstattete Stücke werden ebenso genannt wie verschiedene sich immer noch im Staatsbesitz befindliche Exponate, deren Herausgabe auch heute noch verweigert wird – oft mit der Begründung, dass eine genaue Zuweisung (z. B. aufgrund einer nur kursorischen Beschreibung bei der Übernahme) nicht möglich ist.

Die Autorin weist mit Recht darauf hin, dass der in diesem Buch wiedergegebene Forschungsstand – teilweise durch dieses selbst ausgelöst bzw. forciert – sich laufend ändert. Dies ist sehr zu wünschen, zeigt sich doch damit, dass neue Zusammenhänge aufgedeckt und fragliche Zuweisungen geklärt werden, was dazu beiträgt, Rückgaben an die rechtmäßigen Besitzer vorzunehmen.

 

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