Horst Dolezal
Eveline Brugger
St. Pölten: Selbstverlag des NÖ Instituts
für Landeskunde 2004.
176 Seiten
ISBN 3-85006-150-7.
Studien zu den Beziehungen
niederösterreichischer Adelsfamilien zur jüdischen
Führungsschicht von den Anfängen bis zu Pulkauer
Verfolgung, das war das Thema der Dissertation der
Autorin. Nunmehr liegt diese Dissertation überarbeitet
in gedruckter Form vor. Der behandelte Zeitraum reicht
von der Mitte des 12. Jahrhunderts, dem Zeitpunkt der
ersten urkundlichen Nachweise, bis 1338, der doch so
gravierenden Zäsur für das Leben der Juden in
Niederösterreich. Es sind die rund neun Dezennien, in
denen durch das Aussterben der Babenberger, der
Regierung Premysl Ottokars und dem sich Etablieren der
Habsburger einerseits und den durch die Einführung der
Geldwirtschaft und den damit Hand in Hand gehenden
Änderungen der wirtschaftlichen Gegebenheiten
andererseits tiefgreifende Wandlungen in allen
Lebensbereichen spürbar wurden. Politisch führende
Familien verloren an Bedeutung, andere starben aus, neue
Geschlechter kamen ins Land. Die einsetzende finanzielle
Ablöse der Herrschaftsrechte förderte die Entwicklung
der Bedeutung von Bargeld als politisches Instrument.
Geldgeber und nicht nur jüdische (christliche
verstanden es sehr wohl, das kanonische Zinsverbot zu
umgehen) erfüllten die Wünsche sowohl des Landesherren
als auch die des Adels. Die Quellenlage erlaubt es,
nicht nur Einzelgeschäfte, sondern auch länger dauernde
Geschäftsbeziehungen zwischen einzelnen Kreditnehmern
und Kreditgebern zu dokumentieren.
Die Studie gilt fünf Familien, von
denen drei zu den einflußreichsten Geschlechtern in
Niederösterreich, die der Ministerialität angehörenden
Kuenringer, die hochfreien Hardegger und die neu ins
Land gekommenen Wallseer zu zählen sind. Weiters wurden
die gegen den Abstieg kämpfenden Buchberger und
schließlich die Aufsteigerfamilie der Ebersdorfer
ausgewählt. Analysiert werden Art und Abwicklung der
Geschäfte mit Juden und eventuelle, sich aus den
differenten politischen Stellungen der einzelnen
Familien ergebenden Unterschiede.
Dies führt unter anderem zu dem
Schluss, dass "...Schulden bei Juden in den höchsten
Kreisen des Adels meist als Indiz für eine
wirtschaftlich und/oder politisch prekäre Situation zu
werten (ist), da sie darauf hinweisen, dass keine andere
Lösungsmöglichkeit zur Verfügung stand..." Evident war
die Gefahr, dass, wenn die Schulden nicht umgehend
bezahlt werden konnten, wirtschaftlicher Schaden und
damit verbunden machtpolitischer Niedergang eingeleitet
wurde, wie dies etwa bei den Wallseer-Drosendorfern zu
beobachten ist. Hingegen war die Übernahme von
Bürgschaften oft eine willkommene Gelegenheit, seinen
Besitzstand auf Kosten anderer Familien zu mehren.
Register und genealogische
Übersichtstafeln erleichtern die Orientierung in dieser
fundierten Arbeit der ersten im deutschen Sprachraum,
die sich diesem Spezialthema widmet einer Arbeit, die
einen wertvollen Baustein für das geschichtliche
Verständnis dieser Jahrzehnte des politischen und
wirtschaftlichen Umbruchs darstellt.