Michal Glowinski
Aus dem Polnischen von Martin Pollack
Originaltitel: Magdalenka z
razowego chleba
Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag
im Suhrkamp Verlag 2003
172 Seiten, gebunden
Euro 20,50 [A] / Euro 19,90[D] /
36,00 sFr
ISBN : 3-633-54184-5
Michal Glowinski (geboren 1934),
Professor am Institut für Literaturforschung der
Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau,
gliedert seine Reise durch die Erinnerung in zwei
Abschnitte. In Echos vergangener Jahre steht die
Welt der Volkrepublik Polen nach 1945 im Mittelpunkt der
Erzählungen. Mit oft hintergründiger Ironie beschreibt
der Autor die Atmosphäre voll staatlicher Repression,
Stalinismus und auch Antisemitismus. Reisemischungen
behandelt Glowinskis Kindheit und Jugend im Warschauer
Ghetto. In der Erzählung Die Rückkehr schildert
er berührend, wie er fünf Jahrzehnte nach Ende des
Krieges das Gelände des ehemaligen Waisenhauses
besuchte, wo er den Krieg überleben konnte. "Ich kehre
ergriffen und gerührt zurück, obwohl ich mich bemühe,
vor den Reisegefährten meine Emotionen zu verbergen,
weil ich nicht sentimental erscheinen möchte, obwohl sie
natürlich wissen, was diese Rückkehr für mich bedeutet."
Das Waisenhaus und das Nonnenkloster existieren nicht
mehr.
"Anders als der 1945 geborene Lyriker
und Erzähler Adam Zagajewski, der seine
»Erinnerungsbilder« (Ich schwebe über Krakau,
2000), gern in Aphorismen oder poetische Bilder bannt,
bleibt Michal Glowinski, der als Kind im
Wehrmacht-besetzten Polen die Verfolgung erleben musste,
in seinem vergleichbaren Buch über die Zeit unter dem
Stalinismus ganz bei sich und seinem Stil
wissenschaftlicher Objektivität gerade mal, dass er,
an Prousts Suche nach der verlorenen Zeit und an den
»mürben, kleinen, sicherlich wohlschmeckenden Kuchen«
denkend, das schöne Bild der »Madeleine aus
Schwarzbrot« wagt, das die Erinnerungen so vieler
verfolgter Menschen unseres östlichen Nachbarstaates
würzt. Als der Erzähler, ein halbes Jahrhundert nach der
Rettung durch Nonnen, die Kraft findet, die alte Gegend
wieder zu besuchen, gibt es kein Kloster mehr er fühlt
aber noch einmal »die Schrecken, von denen ich mich nach
wie vor nicht befreien kann. Aber auch eine totale
Befreiung wäre nicht wünschenswert, weil sie einem
Vergessen gleichkäme.«" (Rolf Michaelis: Knute &
Karneval. Polen im Stalinismus. Die scharfen
Erzählsplitter des Literaturhistorikers Michal Glowinski,
in: DIE ZEIT, 32/2003)
Martin Pollack, der Übersetzer des
Buches, erhielt am 9. Juni 2003 für seine Übersetzungen
polnischer Literatur den Österreichischen Staatspreis.
Darüber hinaus ist er selbst Autor von Werken wie
Anklage Vatermord. Der Fall Philipp Halsmann (Paul
Zsolnay Verlag, Wien 2002; eine Buchrezension erschien
im DAVID, Heft Nr. 54, September 2002) und Der Tote
im Bunker. Bericht über meinen Vater (Paul Zsolnay
Verlag, Wien 2004).