GESCHICHTE EINES LEBENS Monika Kaczek
Aharon Appelfeld
Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
Originaltitel: Sippur Chajim
Berlin: Rowohlt Verlag 2005
201 Seiten, gebunden
Euro 18,40 [A] / 17,90 [D]
ISBN 3-87134-508-3
Aharon Appelfelds Buch Der eiserne Pfad wurde 1999 in
deutscher Übersetzung veröffentlicht. Im selben Jahr
erschien in Israel sein Buch Die Geschichte eines
Lebens, das im November 2004 in Frankreich als bestes
ausländisches Werk mit dem Prix Médicis ausgezeichnet
wurde. Die Geschichte eines/seines Lebens hat Appelfeld
zu einem meisterhaften Roman verarbeitet.
Aharon Appelfeld wurde 1932 in eine Czernowitzer
jüdische Familie geboren.
Er erlebte Ghetto und Deportation. Mit zehn Jahren
gelang ihm die Flucht aus dem Konzentrationslager. Nach
dem Tod der Eltern völlig auf sich gestellt, schlug er
sich durch die ukrainischen Wälder. "Der Holocaust war
meine Kindheit. Es gab Momente der Angst und es gab
Momente der Hoffnungslosigkeit. Aber es gab auch
wundervolle Momente der Ruhe, der Besinnlichkeit, der
Freude, der Gedanken daran, dass ich meine Eltern wieder
finde, dass ich in die Ferien fahre. Ich will damit
sagen, dass - für mich als Kind - der zweite Weltkrieg
ein großes Märchen war, ein buntes Märchen, und wie alle
Märchen Furcht erregend. Ich habe das Böse in seiner
Reinheit gesehen, und das Gute in seiner Erhabenheit.
Ich habe Menschen in Gestalt des Bösen gesehen,
Menschen, die keine waren, die andere folterten. Und ich
habe gute Geister in Menschengestalt gesehen, wie dieser
Mann, der dir ein Stück Brot gab, als du im Sterben
lagst. Oder wie diese Christin, die dich in ihr Haus
aufnahm." (Aharon Appelfeld in einem Interview für das
ARTE-Magazin Metropolis, 20. November 2004). Über
Italien gelangte Appelfeld 1946 im Alter von vierzehn
Jahren nach Palästina. Als er dort ankam, konnte er nur
einzelne Wörter, aber keine ganzen Sätze sprechen. " Als
ich nach Israel kam (...), hatte ich so gut wie keine
Bildung. Bis zum Alter von acht Jahren war meine
Muttersprache Deutsch, mein Umfeld ukrainisch, das
Regime rumänisch und mit meinen Großeltern sprach ich
jiddisch. Ich verfügte über Bruchstücke von Sprachen und
über eine äußerst harte Lebenserfahrung. Sehr schnell
vergaß ich diese Sprachen, oder das, was davon übrig
war, und lernte Hebräisch." (Aharon Appelfeld in
Metropolis, 20. November 2004). Er spürte, dass es ihm
nur schreibend gelingen würde, Halt in einer
Gesellschaft zu finden, die ihm lange verschlossen
blieb. Der aus Galizien stammende Schriftsteller und
Nobelpreisträger Shmuel Agnon wurde zu einem Vertrauten.
Ihm begegnete Appelfeld zum ersten Mal 1946 auf einer
Jugendfarm bei Jerusalem.
Auf die Frage im Magazin Metropolis (20. November 2004),
wer und was ihm half, all die Schicksalsschläge zu
meistern, meinte Appelfeld: "Zuallererst die Liebe, die
Liebe meiner Eltern, die ich tief in mir drin spüre,
selbst heute noch. Sie liebten mich, und durch ihre
Liebe gaben sie meinem Leben einen Sinn. Eltern zu haben
bedeutet, du bist du nicht allein, es gibt da jemanden,
der dich liebt. Du kommst auf die Welt und das gibt
deinem Leben einen Sinn. Diese Liebe war von Anfang an
da und sie hat mich mein Leben lang begleitet. Ich
glaube, dies ist der Beginn des Glaubens, denn unsere
Eltern führen uns zur Religion, sie geben uns ein Ziel,
sie öffnen uns für metaphysische Fragen. Alles beginnt
mit Mutter und Vater. Wenn du einen Vater und eine
Mutter hast, dann hast du einen Weg hier auf Erden und
einen zum Himmel. Es geschah so, wie es geschehen
musste. Mir hat es den Wunsch vermittelt, etwas für all
die Menschen zu tun, die dies nicht erlebt haben. In
gewisser Weise bin ich ihre Stimme, wenn Sie so wollen,
ihre letzte Stimme."
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