http://david.juden.at  
 
 

unterstützt von:


 

"Sein Kampf" - Antwort an Hitler

Heimo Gruber

Irene Harand
(Reiter, Franz Richard, Hrsg.)
(Dokumente – Berichte – Analysen 13)
Wien: Ephelant Verlag 2005
315 S. Euro 22,-
ISBN 3-900766-16-9

Sein Kampf – Antwort an Hitler ist die Neuauflage des 1935 erstmals erschienenen Buches von Irene Harand (1900-1975). Es zählt zu den bemerkenswertesten Dokumenten eines christlich inspirierten Engagements im Bemühen um Aufklärung über das Wesen von Nationalsozialismus und Antisemitismus.
Die Katholikin Harand gründete gemeinsam mit dem jüdischen Rechtsanwalt Moriz Zalman 1933 den Weltverband gegen Rassenhass und Menschennot und versuchte in Versammlungen und mit Vorträgen in Österreich, mehreren Ländern Europas und in den USA die Menschen gegen die drohende Gefahr des Nationalsozialismus wachzurütteln. Wegen des besonderen Charismas ihrer Gründerin wurde die Organisation bald Harandbewegung genannt. Ebenfalls ab 1933 gab Harand die Wochenzeitschrift Gerechtigkeit heraus, die sich an ein breites Publikum richtete.
Irene Harand war ein Tatmensch; neben ihren vielen aufklärerischen Aktivitäten war es vor allem ihre stark ausgeprägte soziale Haltung, die sie einige Wohlfahrtsdienste ins Leben rufen ließ. Als sensible und mutige Frau machte sie sich keinerlei Illusionen über das barbarische Potenzial des Nationalsozialismus und erkannte die zentrale Rolle, die jener dem Antisemitismus zugedacht hatte. Wie sehr ihre Aktivitäten ernst genommen wurden, beweisen mehrmalige Proteste des deutschen Gesandten Franz von Papen bei der österreichischen Regierung.
Sein Kampf setzt sich als Antwort auf Hitlers Programmschrift Punkt für Punkt mit dem Judenhaß der Nazis und seinen Lügen und Verleumdungen auseinander. Daß die drei Auflagen des Buches im Selbstverlag publiziert
werden mussten, sagt einiges über die politischen Verhältnisse Österreichs während des Austrofaschismus aus. Weitere Auflagen erschienen in England und Frankreich.
Obwohl mit Leidenschaft geschrieben, besticht Harands Buch auch heute noch durch den didaktischen Aufbau und die Sachkenntnis. Gleich zu Beginn geißelt sie Nationalismus und Rassenwahn als tragende Pfeiler der Naziideologie und entlarvt den Mythos einer "jüdischen Rasse". Jeweils eigene Kapitel widmet sie der Auseinandersetzung mit den gängigen antisemitischen Ideologemen wie wirtschaftlicher Ausbeutung ("Wucher"), den Lügen über den Talmud, den Ritualmordlegenden und den Weltverschwörungskonstrukten, deren prominenteste leider bis heute die "Protokolle der Weisen von Zion" darstellen. Dem Vorwurf von mangelndem Idealismus und Feigheit begegnet sie mit einem historischen Exkurs, dessen Bogen an Beipielen jüdischen Opfermutes sich von den alten Hebräern bis zu den Verlustzahlen jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg erstreckt.
Im Abschnitt "Juden sehen Dich an" stellt Harand herausragende Persönlichkeiten vor, deren Beiträge zu den Künsten und Wissenschaften der gesamten Menschheit zugute kamen. In den letzten beiden Kapiteln zieht
Harand eine schonungslose Bilanz der ersten beiden Jahre von Naziherrschaft im Dritten Reich und appelliert in einer idealistischen Schlussbetrachtung für die Verwendung jener Werte als Waffen, die den Nazis fremd seien: Idealismus und Opfermut, Vernunft und Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit.
Beim "Anschluß" 1938 befand sich Harand auf einer Vortragsreise in England und kehrte nicht mehr nach Österreich zurück. Ihr Mitstreiter Moriz Zalman fiel den Nazis in die Hände und wurde 1940 im KZ Sachsenhausen ermordet. Irene und ihr Mann Frank Harand emigrierten in die USA, wo sie sich mit demselben Elan in die Arbeit einiger Exilorganisationen stürzten.
1968 erhielt sie von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die Auszeichnung einer Gerechten unter den Völkern. Erst spät, aber noch zu ihren Lebzeiten ehrte Österreich Irene Harand mit Auszeichnungen. Als äußere Zeichen erinnern heute nur ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof und ein nach Irene Harand benannter Gemeindebau an diese außergewöhnliche Frau. Umso verdienter ist die Neuauflage von Sein Kampf durch Franz Richard Reiter, der damit diesen Text der Vergessenheit bewahren konnte.
Kardinal Christoph Schönborn und Peter Marboe, der als Direktor des Österreichischen Kulturinstitutes in New York Irene Harand noch selbst kennen gelernt hatte, schrieben Vorworte. Eine abschließende biographische Skizze Europe’s Nobelst Woman wurde vom amerikanischen Historiker John Haag verfasst.
 

Zurück

 
 
webmaster@david.juden.at

Unterstützt von haGalil.com
haGalil onLine