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UNTERWEGS NACH JERUSALEM

Alfred Gerstl

Die Kirche auf der Suche nach ihren jüdischen Wurzeln.
Andreas Laun (Hg.)
Eichstätt: Franz-Sales-Verlag 2004
285 S., € 20,50.
ISBN 3-7721-0262-X.

Es ist ein historisches Faktum, dass die Kirche während des Nationalsozialismus die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden nie ausdrücklich verurteilt hat. Nur implizit hat der Vatikan in den zwanziger und dreißiger Jahren, vor allem in der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (1937) und im „Syllabus gegen den Rassismus“ (1938), Antisemitismus und Nationalsozialismus kritisiert. Die paradoxe Folge, so der Priester und Professor für Ethik Martin Rhonheimer in seinem zentralen Beitrag, war, „dass schon 1933, aber auch 1937 ein Katholik die Rassenlehre der Nazis ablehnen und gleichzeitig Antisemit und Befürworter des NS-Staates sein konnte“. Die tiefere Ursache sieht Rhonheimer im traditionellen kirchlichen Antisemitismus: Dieser, „praktisch kanonisch geworden durch eine Jahrhunderte alte Tradition, hatte sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur im Rahmen moderner Rassenlehren, sondern auch aus politischen und wirtschaftlichen Gründen zu einem in machen Fällen sogar kirchlich geförderten Sozial-Antisemitismus weiterentwickelt“.
In seinem fundierten Beitrag geht Rhonheimer weit über die vom ihm kritisierte „katholische Apologetik“ hinaus, mit der meist Laien-Historiker versuchen, den katholischen Antijudaismus zu relativieren, indem sie die fundamentale Gegnerschaft des Katholizismus zum Nationalsozialismus unterstreichen. Der Autor bringt Beispiele mutigen Verhaltens von deutschen Katholiken, verschweigt aber nicht deren geringe praktischen Folgen.
Mit der Haltung der katholischen und jüdischen Publizistik zum Antisemitismus während des austrofaschistischen Ständestaates (1933–1938) setzt sich Bernhard Dolna auseinander. Bedauerlicherweise vertritt Dolna eine sehr einseitige Auffassung vom österreichischen Ständestaat; so behauptet er z.B.: „Dass Dr. Dollfuß der einzige Staatsmann Europas war, der Hitler kompromisslos entgegentrat, wird heute mit so falschen Etiketten wie ‚Austrofaschismus’ vernebelt.“ Dass nicht allein ideologische, sondern auch handfeste real- und machtpolitische Gründe für die Kritik Dolffuß’ und Schuschniggs am Nationalsozialismus verantwortlich waren, fällt zu sehr unter den Tisch.
Sehr lesenswert sind die Berichte über konkrete Personen und deren öffentliches – publizistisches oder politisches – Eintreten gegen Nationalisozialismus und Antisemitismus. So finden sich Berichte zum Philosophen Dietrich von Hildebrand (1899–1977) (Beitrag von Rudolf Ebneth), zur katholischen Publizistin Irene Harand (1900–1975) (Beitrag von Peter Marboe) und Johannes Oesterreicher (1904–1993) (Beitrag von Clemens Thoma), der sich gegen den Nationalsozialismus engagierte und später großen Anteil am Zustandekommen der Judenerklärung am Zweiten Vatikanischen Konzil hatte.
Im zweiten Teil des Sammelbandes dominieren Aufsätze, u.a. vom Doyen der heimischen Judaistik Kurt Schubert und vom Salzburger Weihbischof Andreas Laun, die das christlich-jüdische Verhältnis aus theologischer und praktischer Sicht beleuchten. Ausführlich werden dabei die jüdischen Wurzeln des Christentums beschrieben. Auch wenn sich Laun optimistisch gibt, dass „das Zurück zum theologischen Antijudaismus (...) für immer als Häresie und Sünde gebrandmarkt“ ist, bleiben laut ihm doch zwei große Aufgaben bestehen: Auch „das einfache Volk Gottes“ müsse von dieser Einsicht durchdrungen sein; und die Diskussion über den christlichen Antisemitismus müsse weiter vertieft werden, so dass eine unbelastete jüdisch-christliche Streitkultur entstehen könne. – Einen wichtigen Beitrag dazu leistet dieser Sammelband, der die im September 2002 auf Initiative von Bischof Laun in der Mozartstadt abgehaltene Tagung zum christlich-jüdischen Verhältnis dokumentiert.
 

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