SEMIT
TIMES Gustav C. Gressel
Das jüdische Magazin
Oswald Le Winter, Abraham Melzer (Hg.)
Melzer Verlag, 528 Seiten
In dem vorliegenden Buch wurden 63 ausgewählte Beiträge
der Zeitschrift Semit angedruckt, wobei sich die
Bandbreite der behandelten Themen von allgemein
(mittlerweile) zeitgeschichtlichen Themen über
jüdische/israelische Literatur, die Vergangenheits-
Bewältigung in Deutschland, neue Formen des
Antisemitismus bis hin zum Nahostkonflikt erstrecken.
Einige als besonders lesenswert erachtete Beiträge
sollten kurz erwähnt werden. So bespricht etwa Gunnar
Heinsohn in Was ist Antizionismus? (S.119-128) die
Doppelzüngigkeit des Antzionismus: Wenn selbst der
friedensliebende junge Deutsche, mit dem Krieg gegen
Israels Juden seinen Frieden macht, erfährt die
Vermutung, dass die Antizionisten sich gerade von der
angedrohten und vollzogenen Gewalt gegen Juden angezogen
fühlen, eine weitere Bestätigung. (S.123). Dietrich
Schwanitz Surrealpolitik oder die deutsche Reaktion auf
den Golfkrieg [1990-91 Anm. d. Rez.] im Spiegel der
deutschen und internationalen Presse (S.358-369)
schildert gekonnt wie sich im deutschen
Radikalpazifismus althergebrachte Feindbilder des
rechten wie linken Randes widerspiegeln (etwa der
jüdisch-kapitalistischen Wirtschaft) und sich durch die
sich zu offenem Hass aufschaukelnde Kritik an den
USA einerseits wie der Solidarisierung mit
Drittweltdiktaturen, die im Nahmen der (arabischen) Ehre
und der (arabischen) Volksgesinnung das (irakische)
Vaterland inklusive der annektierten (kuwaitischen)
Ostgebiete verteidigen, andererseits mehr verbirgt, als
die Sehnsucht nach Nicht-Krieg. Dass sich linker und
rechter Rand des politischen Spektrums hierbei die Hand
reichen ist weithin bekannt.
Die Beiträge Deutschland das gute Gewissen Frankreichs
(S.346-351) über die französische Beteiligung an der
Shoah, Die Kirchen und die Juden von Gerhard Czermak
(S.103-118) über Schweigen und Mittäterschaft der
Kirchen an der Judenverfolgung des Dritten Reiches
weisen auf noch immer praktizierte Geschichtsglättung,
bzw. Ausweichmanöver um unangenehme Fragen der jungen
Vergangenheit hin. In diesem Kontext sind auch die
Artikel Die Schicksalsgemeinschaft der Juden und
Zigeuner von Joseph Alagasi (S.167-175) und Die Leute
mit dem Schuldkomplex sind mir höchst verdächtig von
Hans Sachkowicz (S.176-192) hingewiesen.
Äußerst treffend und objektiv beurteilt Nasser Aruri
Die Zukunft Israels aus der Sicht des Palästinensers
(S.431-437) in einem vermutlich aus den Achtziger Jahren
stammenden Beitrag die Lage Israels um die
Jahrtausendwende: Die fortdauernde Herrschaft Israels
über die Palästinenser werde ein enormes demografisches
Problem verursachen, welches Israel entweder die
Existenz kostet oder zum Einlenken zwingt. Weiters werde
die Beherrschung der umstrittenen Gebiete Israel
innenpolitisch binden, wirtschaftlich wie militärisch
schwächen, zunehmend vom Westen isolieren und auch die
israelische Gesellschaft in ihrem Zusammenhalt schwer
erschüttern bis spalten. Durch eine Adaption der
Palästinenser an die Lage und einer geschickten
Ausnützung der demografischen Stärke werde die Zeit
eher für sie spielen, als für Israel. Ähnlich verläuft
das pessimistische Szenario des 1988 verfassten Artikels
Israel und die Palästinenser im Jahre 2000 von Seymore
Martin Lipset (S.438-444). Das optimistische Szenario
hätte einen Friedensschluss in den 90ern vorgesehen, der
etwa so beschrieben wird, wie Clintons Vorschlag in Camp
David aus dem Jahre 2000.
Damit hört es sich aber leider mit der objektiven
Beschreibung des Nahostkonfliktes in diesem Band auf.
Besonders der Mitherausgeber Abraham Melzer tut sich
leider mit fanatischen, unsachlichen und einseitigen
Beschimpfungen Israel und der israelischen Regierung (da
den Artikeln keine Jahreszahlen beigefügt sind, kann man
manchmal nicht nachvollziehen, wen er gerade meint)
hervor.
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