Roma und
Sinti im Gau Tirol-Vorarlberg Gustav Gressel
Oliver Seifert Roma und Sinti im Gau
Tirol-Vorarlberg,
Die Zigeunerpolitik von 1938 bis 1945;
Studien-Verlag, Innsbruck, Wien, Bozen, 2005;
227 Seiten; € 19,00
ISBN: 3-7065-4164-5
Das vorliegende Buch stellt eine Erstaufarbeitung dieses
Themas bezüglich der Bundesländer Tirol und Vorarlberg
dar, zu welcher der Autor in mühevoller Arbeit die noch
erhaltene Aktenlage von Verwaltungsbehörden und vor
allem der mit der Zigeunerpolitik betrauten
Kriminalpolizei untersuchte und so die Verfolgung dieser
Volksgruppen in der Region rekonstruierte.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich
verschärften sich die bis dato vor allem auf Ausgrenzung
uns Abweisung hinauslaufende Haltung der Behörden auf
Erfassung und Verhaftung der in Tirol lebenden Roma und
Sinti. Die unter dem Schlagwort der Vorbeugenden
Verbrechensbekämpfung vorgenommenen Maßnahmen richteten
sich in der ersten Zeit aber vor allem gegen nach
Zigeunerart lebende Menschen, also auch gegen Jenischen
oder Karrner, Tiroler Landfahrer und Wanderhändler,
vorerst aber weniger gegen sesshafte Roma und Sinti.
Durch die Ausweitung der Verfolgung aus
rassehygienischen Gründen hielt dieser Zustand jedoch
nicht lange an.
Mit dem Festsetzungserlass vom Oktober 1939 sollten
die Roma und Sinti als Provisorium in lokalen
Unterkünften festgehalten und zur Zwangsarbeit verwendet
werden, bis sie nach Polen abgeschoben werden konnten.
Die Tiroler Behörden versuchten, der Unterbringungsfrage
dahingehend zu entgehen, indem sie ihre etwa 80
Häftlinge in Zigeunerlager nach Salzburg/Maxglan oder
Lackenbach abzuschieben suchten. Da sich die geplanten
Deportationen nach Polen verzögerten und die Kapazitäten
dieser Lager begrenzt waren, musste man mit dem
Zwangsaufenthaltsort Hopfgarten in Tirol auskommen.
Dabei drängten die Tiroler Behörden jedoch stets auf
eine reichsweite Endlösung und wurden in Berlin mit
diesbezüglichen Forderungen vorstellig.
Ende 1942 entschied sich das Schicksal der Roma und
Sinti endgültig. Alle Roma, Zigeunermischlinge
(reinrassige Sinti galten in der Vorstellung Himmlers
als Arier, da man aufgrund sprachwissenschaftlicher
Untersuchungen als Herkunftsland der Roma und Sinti
Indien, das vermeintliche Ursprungsland der Arier,
vermutete) und Angehörige zigeunerischer Mischlinge
balkanischer Sippen wurden nach Auschwitz deportiert
und ermordet. Die Anwendung der besagten
Ausnahmeregelungen für Sinti und gute Mischlinge lag
jedoch im Ermessensspielraum der für diese zuständigen
Kriminalpolizei welche diesen meist zu Ungunsten der
Betroffenen auslegte.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges versickerte die
Aufarbeitung der Vernichtung der Roma und Sinti allzu
schnell. Da deren Verfolgung unter der Bezeichnung der
Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch die lokale
Kriminalpolizei erfolgte, ersparte man sich in vielen
Fällen die weitere Untersuchung und Verfolgung der
Täter. Da die Geringschätzung und Diskriminierung
gegenüber den Roma und Sinti nach dem Krieg fortbestand,
entwickelte sich auch nie ein Druck Richtung
Aufarbeitung.
En gros ist das Buch ein gelungenes Werk über eines der
am wenigsten beleuchteten Kapitel der NS-Herrschaft. Es
ist vor allem auch ein Beispiel für die vollkommene
Willkür und Haltlosigkeit, mit der die Rassenpolitik
des nationalsozialistischen Regimes betrieben wurde.
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