Sidi Gross wurde als Tochter eines
Gerichtsbeamten 1921 in Czernowitz geboren. Sie
absolvierte eine Lehre in einem Goldschmiedebetrieb und
überlebte die Shoah in Transnistrien und in Czernowitz.
Seit 1950 lebt Sidi Gross in Israel, wo sie in Tel Aviv
mit ihrem 1986 verstorbenen Mann Berthold einen Laden
für antiken Schmuck führte.
Ihre Geschichten aus Czernowitz
erinnern voll Trauer an die in der Shoah ermordeten
Verwandten und Freunde und erzählen auch von der
Toleranz im Zusammenleben mit den nichtjüdischen
Nachbarn. Als zum Beispiel die Nachbarsfamilie im Hof
ein Schwein schlachtete fragte sich Sidi Gross: Die
Frage, die ich mir heute noch stelle, ist: Wie konnte
mein Vater, der jeden Morgen den Tallit, den
Gebetsschal, umlegte und inbrünstig betete, der einen
koscheren Haushalt führte, es mit ansehen und überhaupt
gestatten, daß Frau Strobl vor unserer Nase die
Schlachtung vornehmen ließ? Ich denke, die Antwort kann
nur Toleranz lauten, auch weil er wußte, daß sie in
sehr bescheidenen Verhältnissen lebte und über den
Winter sonst nichts zu essen gehabt hätte."
Besonders berührend ist die
Geschichte von Anna, dem nichtjüdischen Hausmädchen der
Familie, die mit besonderem Eifer die nichtjüdischen
Bräuche und Traditionen befolgte.
Mit sanfter Ironie schreibt sie über
Paul Celan: Jede Czernowitzerin und jeder Czernowitzer
will ihn gekannt haben, war sein guter Freund, sein
Mitschüler, sein Verwandter, und die damals jungen
Mädchen wollen alle seine Freundinnen gewesen sein. Ich
gehörte nicht zu diesen ..."
In ihren Geschichten aus Israel ist
ihre Verbundenheit mit dem Land spürbar, denn: Heute
ist Israel ein moderner Staat mit Errungenschaften auf
allen Gebieten, auf die wir stolz sein können."
Die im vorliegenden Band gesammelten
Geschichten erschienen zuerst in der Wiener Zeitschrift
Zwischenwelt", in der Tel Aviver Tageszeitung Israel
Nachrichten" und in dem von Cécile Cordon und Helmut
Kusdat herausgegebenen Buch über Czernowitz und die
Bukowina An der Zeiten Ränder". Die Autorin, die 1995
auch ein Buch über ihren berühmten Onkel General Manfred
Stern veröffentlichte, arbeitet bereits am zweiten Band.