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Der Taubenzüchter von Bagdad

Alfred Gerstl

Roman von Eli Amir
ISBN 3-404-92061-9
Bastei Lübbe
684 S. € 10,30.

Der Name Bagdad weckt zur Zeit ausschließlich Assoziationen von Gewalt und Zerstörung. Dabei steht „Bagdad" auch als Chiffre für ein in der Vergangenheit häufig harmonisches Zusammenleben unterschiedlicher Konfessionen oder für bahnbrechende wissenschaftliche Leistungen, für Fantasien, Wunschträume und Verklärungen, für „Märchen aus 1000 und einer Nacht". Diesen Widerspruch aus orientalischer Lebensfreude und Gewalt zeigt auch Eli Amir in dem Buch „Der Taubenzüchter von Bagdad" auf.
Amir kennt den Irak aus eigener Anschauung wie aus der Familiengeschichte, ist er doch gebürtiger Bagdader. 1951, mit 14 Jahren, wanderte er nach Israel aus, wo er arabische Literatur und Geschichte des Nahen Ostens studierte. Der Autor ist somit nicht nur bestens mit der arabischen Kultur und Geschichte vertraut, sondern auch ein hochpolitischer Mensch, wie sein späterer Lebensweg zeigt: Er fungierte als persönlicher Berater von Golda Meir, Yitzhak Rabin und Shimon Peres. Als solcher war er auch in verschiedene internationale Friedensverhandlungen involviert. Derzeit ist er Leiter der Abteilung zur Eingliederung von Jugendlichen in der „Jewish Agency".
Hauptfigur des Romans ist der junge Kabi. Er schildert seinen Alltag in Bagdad, der – zur Zeit der Staatsgründung Israels – ganz besonders von Fragen der Identitätsfindung geprägt ist. All dies wird noch verschärft durch den Konflikt, den Kabi mit sich selbst ausmachen muss: die Pubertät. Kabi verliebt sich in Amira, die Tochter des Taubenzüchters aus der Nachbarschaft. Der Leser erhält aus der Sicht Kabis Einblicke in die mal geduldete, mal stärker bedrohte, doch stets prekäre Situation der irakischen Juden in einer muslimischen Umwelt. Dies wird besonders deutlich in der Schilderung des erzwungenen Umzugs der Familie aus dem gemischten Viertel, dem Souk Hinouni, in ein ausschließlich jüdisches. Doch auch hier heißt es für die Juden, sich vor der staatlichen Repression in Acht zu nehmen. Noch ist die Erinnerung an das letzte Pogrom wach.
Doch das Leben in Bagdad wird auch aus der Sicht der muslimischen Mitbewohner verschiedenen Alters und Geschlechts sowie Ausländerinnen wie Kabis Englischlehrerin geschildert. So entsteht ein facettenhaftes Gesamtbild einer multikulturellen Metropole und Kultur, die nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Sieg der Westmächte und der Gründung Israels einen schwierigen Selbstfindungsprozess durchmachen musste, aus der der Nationalismus – scheinbar – einen Ausweg wies.
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die Familie Imari leidenschaftlich über ihre Perspektiven in Badgad, in einem arabischen Land, in der muslimischen Welt diskutiert und mit den – ebenso ungewissen – im neu gegründeten Israel vergleicht. Letztlich, nach intensiven Überlegungen und dem Erlebnis der Verhaftung von Kabis zionistischem Onkel Hizkel, entscheidet sie sich, in das noch junge Staatswesen Israel auszuwandern. Zurück lassen sie eine Welt, in der Anfang der 50er Jahre das friedliche Zusammenleben von Juden und Arabern leider schon der Vergangenheit angehörte. Vom Schicksal Kabis und seiner Familie in Israel erzählt der Fortsetzungsroman „Im Schatten der Orangenhaine" (Besprechung folgt in der nächsten Ausgabe).

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