Gustav C. Gressel
Felix Müller
Das Verbotsgesetz im Spannungsverhältnis zur
Meinungsfreiheit, eine verfassungsrechtliche
Untersuchung Juristische Schriftenreihe Band 215, Verlag
Österreich, Wien 2005,
Preis: Euro 39,00 (A)
ISBN 3-7046-4685-7, 238 Seiten
Wie der Titel des Buches bereits
verrät, untersucht es die Konformität des
österreichischen Verbotsgesetztes
nationalsozialistischer Wiederbetätigung mit dem sowohl
in der Bundesverfassung als auch in verschiedenen
internationalen Menschenrechtskonventionen verankerten
Grundrecht der Meinungsfreiheit. Hierzu stellt der Autor
bereits eingangs fest, dass die Grund- und
Freiheitsrechte schon seit jeher in einem gewissen
Spannungsverhältnis zu dem öffentlichen Interesse, ihren
Missbrauch durch jene politischen Kräfte, die im Schutze
dieser Rechte die Freiheiten wieder abschaffen, oder zu
Gewalttaten und öffentlichen Aufruhr aufrufen,
hintanzuhalten. Im 18. und 19. Jahrhundert verlief sie
vor allem anhand der Konfliktlinie Bürgertum –
Staatsverwaltung, nach dem Ersten Weltkrieg suchte man
sich gegen eine eventuelle mo-narchistische Restauration
abzusichern und nach dem Zweiten Weltkrieg flossen die
Erfahrungen mit totalitären, säkularen Ideologien – und
hier vor allem dem Nationalsozialismus – in die
entsprechenden Diskussionen ein. So weisen auch andere
einzelstaatliche Rechtsordnungen, wie auch die
Menschenrechtspakte und die Europäische
Menschenrechtskonvention Schutzbestimmungen gegen den
Missbrauch durch „Freiheitsfeinde", wie sie Felix Müller
nennt, auf.
Insofern diagnostiziert Müller auch
keinen rechtlichen Widerspruch des Verbotsgesetzes mit
der in der österreichischen Rechtsordnung, wie der in
der EMRK verankerten Meinungsfreiheit auf. Es wird in
diesem Sinne auch durch das Verbotsgesetz keine Zensur,
Überwachung oder präventive Restriktion der
Meinungsäußerung vorgenommen, sondern lediglich eine
nachträgliche Korrektur, bzw. Bestrafung der
nationalsozialistischen Ausfälligkeiten des freien
öffentlichen Diskurses. Das Verbotsgesetz ist hier
vergleichsweise milde, da es sich nur gegen eine
bestimmte, durch festgelegte ideologische Konturen,
Sprach- und Zeichensymbolik determinierte totalitäre
Ideologie wendet, nicht Totalitarismus als solchen
bekämpft. Diesen Handlungsfreiraum würde etwa die EMRK
bieten. Darüber hinaus hat sich Österreich im
Staatsvertrag auch völkerrechtlich zur Bekämpfung der
nationalsozialistischen Ideologie verpflichtet, eine
Obligation, die auch von Seiten späterer
Menschenrechtskonventionen und der für deren Vollzug
zuständigen Organe, vor allem des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte, stets anerkannt wurde.
Über die unmittelbare Bedeutung des
Verbotsgesetztes und des Darstellungsbereiches dieses
Buches hinaus hat diese hier angerissene Diskussion aber
einen bedeutenderen allgemeinen Wert: Will eine
Gesellschaft ihre gültigen Ordnungen und Strukturen in
ihren wichtigen Zügen absichern, muss sie auch auf die
Frage des inneren Schutzes vor substanzgefährdenden
Strömungen eingehen. Hierbei ist aber festzustellen,
dass diese Diskussion über den Umgang mit
„Freiheitsfeinden" immer aus der Retrospektive und somit
– wie die Geschichte auch zeigt – zu spät erfolgt: In
den konstitutionellen Monarchien versuchte man sich vor
dem Absolutismus zu schützen – der nicht wieder kam.
Junge Demokratien hatten Angst vor monarchistischer
Restauration – nicht aber vor Faschismus, Kommunismus
und Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg
versuchte man Rechtsordnungen zu entwerfen, die den
vergangenen Krieg verhindert hätten – kaum aber jene
neuen, die wir seit 1945 erleben. In diesem Sinne sollte
man darüber nachdenken, ob Modelle totalitärer
Gesellschaftsordnung, diktatorischer Regimeorganisation,
Gewaltverherrlichung und Bellizismus, Rassismus und
radikaler-militanter Antisemitismus wirklich nur in der
Formen- und Symbolsprache des Nationalsozialismus
wiederkehren werden. Die Äußerungen des iranischen
Präsidenten zur „Ausrottung Israels" lassen die
Vermutung zu, dass nun eher ein Missbrauch der
Religionsfreiheit durch totalitäre Fundamentalisten zu
erwarten ist.