Klaus Hödl: Wiener Juden - jüdische
Wiener. Identität, Gedächtnis und Performanz im 19.
Jahrhundert. Studien Verlag Innsbruck-Wien-Bozen 2006,
197 Seiten
ISBN: 3-7065-4215-3
EUR 22,90.-
Klaus Hödl, wissenschaftlicher Leiter
des Centrums für Jüdische Studien in Graz und derzeit
Lektor an der Hebräischen Universität in Jerusalem,
interpretiert in seinem neuen Buch die
Gründungsgeschichte des 1895 eröffneten jüdischen
Museums in Wien als eine Antwort auf die „antisemitische
Sturzwelle", die in den 1890er Jahren über Wien
hereinbrach. Laut Hödl läßt sich am jüdischen Museum
„beispielhaft darstellen, dass eine Stärkung jüdischer
Identität zu keinem Verlust des Bewusstseins, Teil der
Gesellschaft zu sein, führen muss."
Das jüdische Museum sowie die
zionistische Studentenverbindung Kadimah, die Hödl als
weiteres Beispiel heranzieht, tradierten ein
säkularisiertes Judentum, das die jüdische Identität,
die von den religiösen Traditionen nicht mehr angezogen
wurde, zu festigen versuchte.
Der Rückgriff des jüdischen Museums
auf jüdische Geschichte und Kultur geschah zu einer
Zeit, in der zwar die äußere Emanzipation der Juden
vollzogen war, in der sich aber in der Großstadt Wien
mit ihrer attraktiven Mehrheitskultur die festgefügten
Traditionen des jüdischen Lebens aufzulösen begannen.
Hödl beachtete jedoch vielleicht zu
wenig, daß das jüdische Museum, trotz eines Beirats mit
prominenten Mitgliedern und sehr qualifizierten Leitern
wie Jakob Bronner und Salomon Frankfurter von der
Mehrheit der Wiener Juden kaum wahrgenommen wurde. Es
sammelte zwar mehrere tausend Objekte, blieb aber zeit
seiner Existenz bis zur Auflösung und dem Raub seiner
Bestände 1938 auf vier beengte, nicht täglich geöffnete
Räume in der Wiener Leopoldtstadt beschränkt, trotz
einiger vergeblicher Versuche in den dreißiger Jahren,
diese Situation zu verbessern.