Yigal Lossin: Heinrich Heine. Wer war
er wirklich? Aus dem Hebräischen übersetzt von Abraham
Melzer. Melzer Verlag Neu Isenburg 2006.
671 Seiten
ISBN: 3937389989
EUR 29,95.-
Passend zum Heine-Jahr 2006 erschien
im April dieses Jahres die aus dem Hebräischen
übersetzte Biografie Yigal Lossins zu Heinrich Heine im
Melzer Verlag. Wer auf die Frage nach Heines Identität
gemäß dem Untertitel („Wer war er wirklich?") eine
Antwort erwartet, wird allerdings enttäuscht sein:
Lossins Biografie befasst sich vorwiegend mit Heines
jüdischer Identitätsfindung und bietet dem Leser daher
einen zwar durchaus interessanten Lösungsansatz auf die
Frage „Wer war Heinrich Heine?", ob damit jedoch die
ganze „Wirklichkeit" seines Lebens, trotz umfangreichen
601 Seiten Text, erfasst werden konnte, darf bezweifelt
werden, da der etwas reißerische Untertitel am Inhalt
des Buches leicht vorbei führt. Auch sollte man sich
keine wissenschaftliche Biografie nach
mitteleuropäischem Standard erwarten, wenngleich das
Buch den formalen Kriterien einer solchen Biografie in
vielerlei Hinsicht, etwa mit einem durchaus
detaillierten Quellenverzeichnis versehen, entspricht.
Lossins Anspruch ist ein anderer, nämlich dem Leser
seinen Heinrich Heine näher zu bringen und
gleichzeitig den jüdischen Wurzeln Heines in dessen
Leben und Werk nachzuspüren. Dies tut Lossin ausführlich
und mit großer Hingabe und eröffnet dem Leser damit eine
ganz persönliche Perspektive auf einen der populärsten
deutschsprachigen Autoren überhaupt, etwa wenn er seine
Begegnungen mit Heine-Verehrern am Grab des Dichters auf
dem Montmartre eingangs des Buches beschreibt. Nicht
selten bringt der Autor allerdings auch persönliche
Werturteile über Heines Werk oder das seiner
Zeitgenossen in den Text ein, die, wenn auch oft
treffend formuliert, den deutschsprachigen Leser
verwundern könnten, da hier häufig für ein Lesepublikum
außerhalb des europäischen Kulturraums kommentiert wird.
Bestes Beispiel dafür wären etwa Lossins Äußerungen über
die Dialektik Georg Wilhelm Friedrich Hegels, dem er
einen „ungeheuren, berauschenden Einfluss auf das Denken
des 19. Jahrhunderts" attestiert.
Weiters wartet diese Biografie mit
einigen überraschenden Aussagen über die jüdische
Herkunft Heinrich Heines auf, deren Spuren Lossin sehr
detailliert und mit großer Fachkenntnis in Heines
Gesamtwerk nachspürt. Allein die These, Heine sei ein
Vorreiter des Zionismus gewesen, scheint selbst Lossin
nicht immer mit Nachdruck vertreten zu können oder zu
wollen und so revidiert er seine eigenen Aussagen
mehrfach, was diese Biografie einiges an
Überzeugungskraft kostet. Alles in allem merkt man dem
Buch letztlich die langjährige Liebe des Autors zu Heine
an, eine stärkere Bearbeitung des Textes für die
deutsche Ausgabe wäre jedoch wünschenswert gewesen.