Mark Zaurov: Gehörlose Juden. Eine doppelte
kulturelle Minderheit. Peter Lang Verlag Frankfurt am
Main 2003.
ISBN 3-631-51808-0
EUR 27,50.-
Eine doppelte kulturelle Minderheit
„Mit Juden kann Pavel über das „Thema
Jude" reden, aber mit Gehörlosen sei dies nicht möglich.
Als Gehörloser erfuhr Pavel zuweilen auch unter Juden
Stigmatisierungen. Als er sich in der Jüdischen Gemeinde
in Frankfurt als Gehörloser vorstellte, gingen die dort
anwesenden russischen Juden auf Distanz zu ihm. In der
Jüdischen Gemeinde blieb er bis auf wenige Ausnahmen
isoliert. Er lebt mehr in der Gehörlosengemeinschaft."
Das Beispiel von Pavel, der 1967 in
Russland geboren wurde und seit 1991 in Frankfurt a.M.
lebt, ist ein typisches für die Situation von einer
wenig beachteten doppelten kulturellen Minderheit:
gehörlose Juden. Mark Zaurov, Vorsitzender der
Interessensgemeinschaft Gehörloser jüdischer Abstammung
in Deutschland, hat eine Studie zu diesem Thema
verfasst, die ursprünglich als Magisterarbeit
eingereicht und im Verlag Peter Lang publiziert wurde.
Zaurov wurde in Russland in einer
jüdischen Familie geboren. Er ist selbst, ebenso wie
seine Schwester, von Geburt an gehörlos. Die Familie
ging nach Israel und von dort nach Deutschland. Zaurov
kam so nicht nur mit verschiedenen Sprachen und
Gebärdensprachen, sondern auch mit unterschiedlichen
jüdischen Identitätskonzepten in Berührung.
Seine Studie stellt sowohl Kultur und
Identität Gehörloser, wie auch jüdische Identität vor
und zeigt die besondere Lebenssituation von gehörlosen
Juden.
Zaurov geht dabei immer wieder auf
die verschiedenen Formen der Diskriminierung ein, denen
gehörlose Juden ausgesetzt sind, stellt Gehörlosigkeit
nach jüdischem Verständnis dar und bietet Lösungsansätze
für eine jüdische Gehörlosenkultur.
Im letzten Teil des Buches sind die
Auswertungen von zahlreichen Interviews mit gehörlosen
Juden zusammengefasst, die Auskunft über deren
natürliche Lebens- und Identitätswelten geben und
Unterschiede der einzelnen Nationalitäten deutlich
werden lassen.
Mark Zaurovs Buch ist, von dem
manchmal etwas sperrigen Schreibstil und den sehr
allgemeinen Definitionen abgesehen, was sich durch die
Vorlage der Magisterarbeit ergibt, sehr informative und
gibt einen wichtigen Einblick in Kultur und Leben einer
in der breiten Öffentlichkeit unbeachteten kulturelle
Minderheit. Besonders die Tatsache, dass der Autor
eigene Erfahrungen und aktives Engagement mitbringt,
macht das Buch zu mehr als eine wissenschaftlichen
Studie.