Klischees und Vorurteile
Claus Stephani
Andrei Oisteanu: Klischees und
Vorurteile des Antisemitismus.Das Bild des Juden in der
rumänischen Volkskultur. Zum Problem scheinbarer
positiver Vorurteile. Aus dem Englischen von
Marie-Elisabeth Rehn. Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn.
Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 2002.
66 Seiten
ISBN 3-89649-816-9
EUR 12,00.-
In der Schriftenreihe „Schoah &
Judaica", die von Prof. Dr. Erhard Roy Wiehn im
Hartung-Gorre Verlag, Konstanz, betreut wird, erschien
vor kurzem eine deutsche Fassung des Buches „Das Bild
des Juden in der rumänischen Volkskultur. Zum Problem
scheinbar positiver Vorurteile". Es handelt sich dabei
um eine gekürzte Ausgabe des 404 Seiten starken
rumänischen Originals, das 2001 vom Bukarester Humanitas
Verlag herausgebracht wurde.
Dem in vier Kapiteln gegliederten
Text des bekannten rumänischen Kulturanthropologen Prof.
Andrei Oisteanu, Bukarest, sind zwei kurze Essays von
Marie-Elisabeth Rehn („Kulturelle Anthropologie als
Werkzeug scharfsinniger Analyse gesellschaftlicher
Wirklichkeit") und Erhard Roy Wiehn („’Imaginäre Juden’
im alltäglichen Vorurteil") einführend vorangestellt.
Im Hauptteil des Buches setzt sich
dann Oisteanu mit der vielfältigen Thematik seiner
Untersuchungen auseinander, die er im Rahmen eines
Forschungsprogramms des „International Center for the
Study of Antisemitism" der Hebräischen Universität
Jerusalem durchführen konnte. Die Ergebnisse seiner
Arbeit werden nun hier in vier Abhandlungen präsentiert:
„Der intelligente Jude (‚Ein jüdischer Kopf’)", „Der
Jude als guter Geschäftsmann", „Der gute Jude (‚Wenn
doch nur alle Juden wären wie du...’)", „Die schöne und
tugendhafte Jüdin".
Abschließend sagt dann der Autor,
dass er sich in seiner Arbeit besonders auf die mittel-
und osteuropäische Volkskultur konzentriert habe, um
„deren ethnische Selbst- und Fremdbilder und hier vor
allem das Bild des Juden" zu untersuchen. Dabei
entdeckte er im Volksdenken unter anderem „auffallende
mentale Klischees", wie z.B. „Juden haben Hörner" u.a.
Diese Zerrbilder „des imaginären Juden" wiederum, die
sogar mit Eigenheiten von Fabelwesen ausgestattet sind,
konnten sich dort frei entfalten und überleben, wo es
keine „wirklichen Juden" gab, die durch ihre reale
Existenz „dieses Bild korrigiert" hätten.
Dabei spielte, wie Oisteanu zeigt,
das kulturelle Milieu, in dem diese und andere Klischees
entstehen konnten, eine besondere Rolle, denn „die
Koordinaten für dieses Vorgehen" sind – und das trifft
besonders auf den osteuropäischen Raum zu – „gewöhnlich
in einer archaischen und tief verwurzelten Volkskultur
verankert". Ein bedauerlicher Fehler, der sich wohl bei
der Übersetzung der englischen Fassung ins Deutsche
eingeschlichen hat, ist die Verwechselung der
rumänischen Provinz Moldau (rum. Moldova, Hauptort Iasi/Jassy)
mit der 1924 gegründeten ASSR Moldau, die nach 1945 als
Moldauische SSR, dem ehemaligen Bessarabien (Hauptstadt:
Kischinjow), zur UdSSR gehörte und heute als
selbständige Republik Moldawien bekannt ist. Der
Volkname Moldauer hingegen – für die Einwohner des
rumänischen Fürstentums Moldau – findet sich bereits in
Dimitrie Cantemirs Werk, „Beschreibung der Moldau",
1771, Frankfurt und Leipzig, was der Übersetzerin
anscheinend nicht bekannt ist. Außerdem werden die
rumänischen Gebietsnamen Oltenia (dt. Oltenien) und
Maramures (dt. Maramuresch bzw. Marmatien) ohne den
bestimmten Artikel gebracht, was irreführend ist, da man
annehmen könnte, es handle sich dabei um Ortsnamen.
Trotz dieser und einiger anderer
Einwände – z.B. falsch zitiertes Jiddisch – kann
Oisteanus Buch als erhellende Lektüre zur Geschichte des
säkularen volkstümlichen rumänischen Antisemitismus
empfohlen werden, da der Autor anhand einer Fülle von
Beispielen und Belegen die Entstehung der negativen und
auch der anscheinend positiven Stereotypen überzeugend
dokumentiert.
Zurück
|