Essay
Natan Sznaider
München: Bibliothek der Provinz
74 Seiten, Euro 11.-
ISBN 3 901862 08 0
Im Unterschied zu anderen Denkern ist
Natan Sznaider der Ansicht, dass es in der Natur des
modernen Kapitalismus liegt, dass Mitleid entsteht. Denn
trotz aller Morde und Grausamkeiten, die ständig
geschehen, ist der moderne Mensch davon angeekelt und
wer daran Vergnügen findet, gilt als pathologisch.
Sznaider sieht das letzte Jahrhundert
als Jahrhundert des Mitleids und für ihn ist auch der
Holocaust kein Widerspruch zu seiner These, denn er
meint, dass der Holocaust der Versuch der Vormoderne
war, die Moderne, in deren Trägern, den Juden
auszulöschen. Damit steht er im Widerspruch zu der
gängigeren Auffassung, dass die Modernität die Juden
umbrachte. Er aber meint, dass die Vernichtung zwar mit
den modernsten Mitteln erfolgt sei, aber die mitleidlose
Welt der Lager das genaue Gegenteil der Moderne war.
Für das gegenwärtige Zeitalter der
Globalisierung sieht Sznaider ein durch das Fernsehen
geschaffenes globales Mitleid, das zwar unvollkommen
ist, denn die Menschen seien „zerrissen zwischen
Gleichgültigkeit und Mitleid, Apathie und dem Willen,
dem Leiden Anderer ein Ende zu setzen", aber eben dieser
Riss unterscheide sie von ihren historischen Vorgängern.
Natan Sznaider wurde 1954 in der Nähe
von Mannheim geboren und lebt seit 1974 in Israel. Er
ist Professor für Soziologie und lehrt am Academic
College in Tel Aviv.