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MOSKAUS GEHEIMOPERATIONEN IM KALTEN KRIEG

Thomas PANKRATZ

„Das Schwarzbuch des KGB 2.
Christopher Andrew und Wassili Mitrochin
Berlin: Propyläen 2006
878 Seiten; Gebundene Ausgabe, Euro 26,00
ISBN-10: 3549072910
ISBN-13: 9783549072912

Eine Analyse von Moskaus Geheimoperationen im Kalten Krieg erschien bereits 1999 auf Englisch und widmete sich, wie der Untertitel bereits festlegt, „Moskaus Kampf gegen den Westen" genauer gesagt: mit den KGB-Aktivitäten in den westlichen Industrienationen, aber auch bei den eigenen sozialistischen Verbündeten in Ostmittel- und Südosteuropa. Bot schon der erste Band, der umfangreiches Archivmaterial des Mitrochin auswertete, spannende Lektüre genug, so steht der zweite Band „Das Schwarzbuch des KGB") diesem Eindruck keinesfalls nach.

Der Kalte Krieg kann in der Dritten Welt gewonnen werden - so entschied das Politbüro der KPdSU und übertrug dem Komitee für Staatssicherheit (KGB) 1961 die Aufgabe, dort den „Kampf zwischen den beiden Systemen" zu führen. Zu diesem spannenden Thema hat Christopher Andrew, Zeithistoriker an der Universität Cambridge, ein Standardwerk vorgelegt. Darin hat er die politische Entwicklung während des Kalten Krieges in der Dritten Welt ausführlich analysiert - in Lateinamerika, Afrika und Asien einschließlich des Nahen und Mittleren Ostens. Die schon bekannten Ereignisse dieser Zeit werden unter Einbeziehung der Aktivitäten des KGB teilweise neu bewertet. Die geheimen Informationen aus dem Geheimdienst-Archiv hatte der Co-Autor des Buches, KGB-Oberst Wassili Mitrochin, welcher zwischen 1948 und 1972 dem sowjetischen Nachrichtendienst angehörte, beschafft, bevor er 1992 zu den Briten übergelaufen war. Für viele ist es unvorstellbar, daß Mitrochin bereit war, 20 Jahre seines Lebens für eine Sache zu opfern, an die er leidenschaftlich glaubte. Seine Motive sind nach wie vor schwer nachvollziehbar. Im Wesentlichen wird seine Geschichte und auch die Geschichte des „Mitrochin-Archives" bereits in (ersten). „Das Schwarzbuch des KGB. Moskaus Kampf gegen den Westen" (Christopher Andrew und Wassili Mitrochin von Propyläen, Gebundene Ausgabe - Februar 2002) dargestellt.

Andrew betont in seinem Vorwort, dass Mitrochin, welcher im Jänner 2004 verstarb, die Arbeit eines Historikers im Kern nicht verstanden habe, da seiner Meinung nach allein seine Dokumente die „Wahrheit" enthielten.

Das Archiv wird im vorliegenden Buch einer grundlegenden Systematik unterzogen und mit einem umfassenden wissenschaftlichen Apparat unterfüttert. Dabei ordnet und bewertet Andrew die Rolle des Geheimdienstes neu. So verweisen die von Mitrochin besorgten Kopien aus dem KGB-Archiv auf Dutzende „aktive Maßnahmen" in der Dritten Welt, die von verdeckten Medienmanipulationen bis zu Attentaten und organisierten Revolutionen reichen. Dem Leser wird rasch klar, welchen enormen Wert der KGB auf die Desinformation legte und dass er damit in der Regel auch Erfolg hatte. In der Tat gehörte der sowjetische KGB jahrzehntelang zu den einflussreichsten Nachrichtendiens-ten der Welt.

Trotzdem war der KGB allein für die katastrophale Militärintervention in Afghanistan verantwortlich. So bestätigt „Das Schwarzbuch des KGB 2" die Rolle des KGB-Vorsitzenden und Politbüromitglieds Jurij Andropow bei diesem Angriffskrieg, der die Informationen für Generalsekretär Leonid Breschnew manipuliert und das Politbüro davon überzeugt hatte, es handle sich um einen leicht zu lösenden Auftrag.

Ins Visier des KGB geriet neben dem Nahen Osten, Lateinamerika und Afrika auch die Volksrepublik China, welche als „wichtiger Gegner" eingestuft wurde. Um die 6.400 Kilometer lange sowjetische Grenze zum „Reich der Mitte" zu sichern, stationierte der Kreml dort ein Drittel seiner Militärmacht. Lesenswert sind deswegen im „Schwarzbuch des KGB 2" die Schilderungen der Aktionen in der VR China vor und während der „Kulturrevolution". So genehmigte das Politbüro dem KGB, in der „Uigurischen Autonomen Region Sinkiang" einen Separatisten-Aufstand vorzubereiten. Die vom KGB finanzierte Zeitung „Stimme Ostturkestans" rief die Uiguren auf, „sich gegen den chinesischen Chauvinismus zusammenzuschließen" und einen „unabhängigen freien Staat" auszurufen. Dieser Nadelstich ging auf den sowjetisch-chinesischen Grenzkonflikt im Jahr 1969 zurück. Seitdem führte der KGB einen psychologischen Krieg gegen China. Dazu gehörte auch das Gerücht, wonach die UdSSR einen Präventivschlag gegen die chinesischen Nuklearanlagen vorbereite. Die unmittelbare Folge dieser Aktion war die Annährung Pekings an die USA unter Präsident Richard Nixon.

Im vorliegenden Band analysiert der britische Geheimdienst-Experte Christopher Andrew in Zusammenarbeit mit dem Ex-KGB-Archivar Mitrochin die sowjetischen Geheimdienst-Aktivitäten in Afrika, in Asien und in Südamerika. Die rund 160 Seiten, die alleine dem Nahen Osten bis zum Beginn der 1990er Jahre gewidmet sind, liefern aufschlussreiche Hintergrundinformationen selbst zu den jetzt aktuellen Konflikten rund um Israel, den Iran, Irak und Syrien. Die Erfolge, aber auch die Fehlschläge sowjetischer Geheimdienstoperationen im arabischen Raum und im Mittleren Osten lesen sich phasenweise spannender als ein Kriminalroman.

Die offenen und geheimen Stellvertreterkriege der beiden damaligen Supermächte USA und UdSSR in der so genannten Dritten Welt sind in diesem „Schwarzbuch des KGB - 2" konzentriert nachbereitet worden.

Der nachrichtendienstliche Apparat gehört als tragende Säule zum hoch- wie post-stalinistischen Unterdrückungssystem der UdSSR. Das Selbstbewusstsein der meisten noch lebenden KGB-Spione ist indes ungebrochen, frei von jeglichem Selbstzweifel.

Anspruch hier - Wirklichkeit dort. Auch dies arbeitet das Schwarzbuch überzeugend heraus. Da die Originaldokumente weiterhin der Geheimhaltung unterliegen, wurde der Inhalt dieses zweiten Bandes ebenso wie des ersten von einer abteilungsübergreifenden Arbeitsgruppe in Whitehall genau überprüft, bevor das Ministerium die Veröffentlichung freigab. Kurz: Allen an Geheimdienst-Thematik und an der Geschichte des Kalten Kriegs interessierten Lesern wird hier ein 880 Seiten umfassendes Buch vorgelegt, das den Preis von 26 Euro rechtfertigt. Das Buch schließt eine Lücke in der Geschichtsschreibung und wird sicherlich auf längere Zeit ein maßgebliches Werk zum Thema sowjetische Nachrichtendienste und deren Aktivitäten sein.

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