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DER LETZTE MYTHOS DER RAF

Thomas PANKRATZ

Das Desaster von Bad Kleinen - Wer erschoss Wolfgang Grams?
Butz Peters
Berlin: Ullstein Verlag 2006.
311 Seiten, 25 Abbildungen, Euro 18,00.-
ISBN 3-550-07865-X

Am 27. Juni 1993 wurde in Bad Kleinen Wolfgang Grams, Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF), im Rahmen eines Polizeieinsatzes erschossen. Er war Mitglied der so genannten 3. Generation der RAF und lehnte, wie auch die vorhergehenden Generationen, den deutschen Staat ab. Seine Begleiterin Birgit Hogefeld wurde festgenommen und im November 1996 zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Umstände des Polizeieinsatzes und die offensichtliche Vertuschung der tatsächlichen Vorkommnisse durch alle beteiligten staatlichen Stellen führten zu einem der größten innenpolitischen Skandale in der Geschichte der BRD. Letztlich führte es auch zum Rücktritt von Innenminister Rudolf Seilers.

Das Buch „Bad Kleinen und die Erschießung von Wolfgang Grams" wurde mit dem Ziel geschrieben, die tatsächlichen Ereignisse zu rekonstruieren und die staatlicherseits forcierte Version, Wolfgang Grams habe Selbstmord begangen, nicht widerspruchslos stehen zu lassen.

Schritt für Schritt legt der Autor die Fakten frei. Es begann mit Grams Beziehungen zu Birgit Hogefeld. Als Paar bezogen sie zusammen eine Wohnung. Hogefeld und Grams schlossen sich dem aktiven Kreis der Roten Armee Fraktion an und gingen 1984 in den illegalen Untergrund. Nach der Verhaftung der ersten Generation der Roten Armee Fraktion schloss er sich der „Sozialistischen Initiative Wiesbaden" an. Später engagierte er sich in der „Roten Hilfe", die die RAF-Gefangenen während des Hungerstreiks 1974 unterstützte. So solidarisierte sich Grams mit den Inhaftierten und begann, diese in der seiner Meinung nach unmenschlichen Haft zu besuchen. Am 15. Februar 1987 wurde in der Tagesschau in der ARD ein Suchaufruf für Grams und Hogefeld gesendet. Als 1978 Willi-Peter Stoll von Polizisten erschossen wurde, fanden sich in dessen Notizbuch Hinweise auf Wolfgang Grams. Er wurde verhaftet und saß in Frankfurt 153 Tage in Untersuchungshaft.

Grams wurde aufgrund molekulargenetischer Spuren auf einem am Tatort gefundenen Handtuch mit der Ermordung Detlev Karsten Rohwedders, dem damaligen Leiter der Treuhandanstalt, im Jahr 1991 in Verbindung gebracht. Teilweise wird darüber spekuliert, ob Grams auch an anderen Anschlägen der RAF in den 1980er Jahren beteiligt war. Dafür gibt es allerdings keine stichhaltigen Beweise oder Hinweise. Es wurde seitens der Behörden auch nie wegen anderer Verbrechen gegen ihn ermittelt oder ein begründeter Verdacht ausgesprochen.

Am 27. Juni 1993 sollte Grams zusammen mit Birgit Hogefeld im Verlauf eines GSG-9-Einsatzes auf dem Bahnhof von Bad Kleinen festgenommen werden. Dabei kam es zu einem Schusswechsel, bei dem ein GSG-9-Beamter starb. Birgit Hogefeld wurde festgenommen. Den Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft Schwerin zufolge hatte Grams sich selbst erschossen, um der Verhaftung zu entgehen. Die Ermittlungen dauerten über sechs Jahre; den Schlussstrich zog letztlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 1999.

Nach Bad Kleinen verlief die Front nicht mehr durch Westeuropa, sondern zwischen den eigenen Zellen. Nach Bad Kleinen verübte die RAF keine Anschläge mehr. Die RAF war nicht mehr mit der Weltrevolution beschäftigt, sondern mit sich selbst. Im März 1998 erklärte sie schließlich ihre Selbstauflösung. Mit Mord und Gewalt konnte in einem gefestigten demokratischen Rechtsstaat nichts erreicht werden.

Der Autor, RAF-Experte, Journalist und Rechtsanwalt, kommt nach einem akribischen und langen Studium von mehr als 1000 Seiten unveröffentlichter Dokumente nach dreizehn Jahren von den Schüssen in Bad Kleinen zu dem Schluss, dass Wolfgang Grams nicht durch einen gezielten Nahschuss eines Beamten, wie lange Zeit vermutet wurde, sondern durch die eigene Hand. Das Buch beschreibt ein bizarres Kapitel deutscher Zeitgeschichte, ist ein Lehrstück betreffend Abstimmungspannen bei den Strafverfolgungsbehörden und ist letztlich eine spannend zu lesende Reportage.

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