Thomas Pankratz
Angelika Hagen, Joanna Nittenberg (Hg.):
Flucht in die Freiheit. Österreichische Juden in
Palästina und Israel, Wien: Edition Illustrierte Neue
Welt (IWN) 2006;
Gebundene Ausgabe, 647 Seiten, einige sw-Abbildungen;
Euro 35,00.-
ISBN: 3-9500356-4-8
Mit dem von Angelika Hagen und Joanna
Nittenberg auf Initiative von Moshe Hans Jahoda
herausgegebenen Buch ist es gelungen, ein ganzheitliches
Bild der ambivalenten Beziehungen zwischen Österreich
und Israel, zwischen Antisemitismus und Vertrauen, zu
zeichnen. In den ersten beiden Kapiteln („Flucht aus
Österreich" und „Neubeginn in Israel") analysieren
Wissenschafter (Anton Pelinka, Brigitte Halbmayr, Doron
Rabinovici, Felix de Mendelsohn, Ari Rath, Evelyn Adunka,
Gabriele Anderl und Yechiam Weitz) die historischen,
sozialen, politischen und psychischen Elemente von
Flucht und Integration. Flucht aus einem Land, zu dem
viele eine tiefe Verbundenheit empfanden, und
Immigration in ein Land, das für viele unbekannt war.
Über 130.000 österreichische Juden wurden vertrieben
oder gelang die Flucht; mehr als 65.000 wurden von den
Nationalsozialisten ermordet. Wenige Jahre nach dem so
genannten „Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich
im März 1938 war das jüdische Leben in Österreich
erloschen.
Aufbauend auf diesen
wissenschaftlichen Analysen erzählen österreichische
Juden in sehr eindrucksvoller Weise ihr Leben, beginnend
bei ihrer Jugend in Österreich über ihre Emigration bis
zur Gegenwart in Palästina/Erez Israel. Ihr Leben ist
somit sowohl von der österreichischen als auch
israelischen Geschichte geprägt. Charakteristisch für
die Erzählungen ist, dass die Vertreibung nicht nur als
passiv zu erleidendes Schicksal geschildert wird,
sondern auch als Neubeginn, als „Challenge by Escape",
so auch der ursprüngliche Arbeitstitel des Buches. Für
diesen Neubeginn war es notwendig, neue tragfähige
Beziehungen eingehen zu können und sich selbst nicht als
Objekt sondern als handelndes aktives Subjekt zu sehen,
welches seinen eigenen Weg bestimmen kann. Die Flucht in
die Freiheit war für viele daher auch oft ein Weg zu
sich selbst und in die eigentliche Heimat.
Durch die offene Erzählform, durch
die Menschen in diesem Buch, die uns hier ihr Leben
schildern, wird Geschichte angreifbar, sie bekommt ein
Gesicht und einen Namen, wird personifiziert und somit
lebendig. Die über dreißig Gespräche mit teils sehr
prominenten Persönlichkeiten wie Teddy Kollek, Asher Ben
Nathan, Moshe Jahoda, Judith Hübner Gershon Shaked und
noch einigen mehr führten neben den beiden
Herausgeberinnen Roberta Breiter, Chana Bat Dov, Simone
Dinah Hartmann, und Gil Yaron.
Den Abschluss des Buches bildet eine
Sammlung von rund 390 ausgesuchten und zusammengefassten
Lebensläufen, die die Lebensvielfalt von Österreichern
aber auch Menschen aus der Monarchie und deren
Randgebieten enthält. „Flucht in die Freiheit" ist ein
außergewöhnliches Buch über unterschiedlichste
Schicksale. Und letztlich bietet es die Möglichkeit für
ein neues, tieferes Verständnis von Geschichte.