Richard Bauer, Michael Brenner
(Hrsg.): Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur
Gegenwart
München: Verlag C.H. Beck 2006,
285 Seiten, leinengebunden, illustriert
Euro 20,50.-
ISBN 3-406-54979-9
Zum erstenmal liegt nun ein Buch vor,
das „umfassend ein Stück Stadtgeschichte" dokumentiert,
die „allzu lange bruchstückartig in den
unterschiedlichsten Archiven schlummerte", so Charlotte
Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde
München und Oberbayern, sowie Präsidentin des
Zentralrats der Juden in Deutschland im Geleitwort zu
dem soeben erschienenen bedeutsamen Werk. Denn „dieses
ambitionierte Projekt füllt eine lange Jahre schmerzlich
empfundene Lücke" und „die bisweilen diffuse historische
Wahrnehmung und fragmentarische Einordnung jüdischen
Lebens in der Münchner Stadtgeschichte hat damit ein
Ende", stellt fortfahrend Christian Ude,
Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt,
fest.
Die beiden Herausgeber, Richard Bauer
(Stadtdirektor und Leiter des Münchner Stadtarchivs) und
Michael Brenner (Professor für Jüdische Geschichte und
Kultur an der Universität München), haben den Bau eines
neuen jüdischen Zentrums im Herzen Münchens zum Anlass
genommen, um sich, zusammen mit einem Autorenkollektiv,
an die „Jahrhunderte überspannende Geschichte der
Münchener Juden zu wagen", um damit an die Leistungen
des Judentums in München zu erinnern und so das Andenken
an das einstige „jüdische München" neu zu beleben.
Bereits in der Zollordnung von
Raffelstetten werden 903/906 jüdische Kaufleute erwähnt,
Bodenfunde jedoch lassen den Schluss zu, dass sich Juden
bereits im 4. Jh. entlang der bayerischen Donau
angesiedelt haben. In einer Regensburger Urkunde wird
dann 1229 der Zeuge „Abraham von München" genannt, was
als ein Hinweis gelten kann, dass zu jener Zeit bereits
Juden in München gelebt haben. Im „Nürnberger Memorbuch",
einer der ältesten mittelalterlichen Quellen, wird dann
über den Pogrom von 1285 berichtet. Infolge einer
„Ritualmord"-Beschuldigung ermordete damals der
aufgebrachte Pöbel 67 Münchener Juden.
Das Buch ist in neun große
thematische Kapitel gegliedert, in denen die „Anfänge im
Mittelalter, 1229-1442" (Rainer Barzen) und die danach
folgenden geschichtlichen Etappen, bis zum „Aufbruch in
die Zukunft, 1970-2006" (Michael Brenner) ausführlich
behandelt werden. Die Autoren – Anton Löffelmeier,
Marcus Pyka, Elisabeth Angermair, Heike Specht, Andreas
Heusler, Anthony Kauders, Tamar Lewinsky und Barbara
Staudinger – machten, so die Herausgeber, „mit Kompetenz
und Engagement das Entstehen dieses Buches zu ihrer
persönlichen Sache".
Besonders wichtig für die weitere
Forschung ist auch der dokumentarische Anhang, so eine
Zeittafel (Barbara Staudinger), eine Statistik zur
jüdischen Bevölkerung Münchens, Literaturhinweise
(Christine Schaumaier), 44 Abbildungen, 4 Karten und ein
Namenregister, das von Abraham von München, dem ersten
namentlich bekannten Juden der späteren bayerischen
Landeshauptstadt, bis zu Arnold Zweig, der zeitweilig
zur Münchener Bohème gehörte, reicht.
So wird viel Information und Wissen
vermittelt, denn wer weiß heute noch, dass z.B. zwei
Wahrzeichen der Landeshauptstadt, das
Prinzregententheater und das Hofbräuhaus vom Architekten
Max Littmann gebaut wurden, dass Kurt Landauer als
Vereinspräsident den FC Bayern 1932 das erste Mal zum
Meistertitel führte oder dass im 19. Jh. Albert
Einsteins Vater das ganze Gelände des traditionellen
Oktoberfests mit Strom aus seinen Fabrikdynamos
versorgte. Davon und über zahlreiche andere
herausragende Persönlichkeiten des Münchener Judentums
wird ausführlich berichtet.