Thomas Soxberger
Maria Kühn-Ludewig: Jiddische Bücher
aus Berlin (1918-1936). Titel, Personen,
Nümbrecht: Kirsch-Verlag 2006.
228 S., Euro 23,50 (D)
ISBN 978-3-933586-45-2
Die Bibliothekarin Maria Kühn-Ludewig
beschäftigt sich seit Jahren mit Themen jüdischer Buch-
und Verlagsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Nun hat sie
als Ergebnis umfangreicher Recherchen ein 361 Einheiten
umfassendes Titelverzeichnis des jiddischen Buchdrucks
im Berlin der Weimarer Republik vorgelegt. Etwa 250
dieser Bücher sind nachweislich erschienen, andere sind
nur aus Verlagsankündigungen bekannt. Damit hat
Kühn-Ludewig ein wichtiges Grundlagenwerk geschaffen,
das es erlaubt, die Rolle, die Berlin in der Entwicklung
der modernen jiddischen Kultur spielte, besser als
bisher zu beurteilen.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde
Berlin für eine kurze Zeit ein wichtiges Zentrum des
jiddischen Buchdrucks. Die Gründe dafür waren
vielfältig, ökonomische wie politische Faktoren spielten
zusammen. Berlin konnte aufgrund seiner Druckkapazitäten
den hungrigen Büchermarkt Osteuropas beliefern, wo
aufgrund der politischen und ökonomischen Lage während
des Krieges und noch Jahre danach der jüdische Buchdruck
stark in seiner Entfaltung behindert war.
Vor allem in Polen und den baltischen
Staaten entstand nach dem Ersten Weltkrieg ein dichtes
Netzwerk jiddischer Schulen, Kulturorganisationen und
Forschungseinrichtungen. Aber auch die Sowjetunion ließ
im Rahmen ihrer Nationalitätenpolitik im ersten
Jahrzehnt ihres Bestehens zahlreiche jiddischsprachige
Institutionen entstehen. In Osteuropa schien die
Verwirklichung einer jüdischen „Kulturautonomie" auf dem
besten Weg zu sein. Alles das schuf eine starke
Nachfrage nach Büchern.
In Berlin versammelten sich während
des ersten Weltkrieges und auch in den Jahren danach
zahlreiche jiddischsprachige Emigranten. Darunter waren
prominente Schriftsteller, wie etwa David Bergelson und
„Der Nister", Journalisten, Künstler sowie Mitarbeiter
von verschiedenen jüdischen Parteien und
Hilfsorganisationen für Emigranten. In diesem Umfeld
wurden Kontakte zu bestehenden Verlagen geknüpft und
neue gegründet.
Das Buch „Jiddische Bücher aus
Berlin" ist für ein Fachpublikum gedacht. Sicherlich ist
es deshalb, wie die Forscherin beinahe entschuldigend in
ihrer Einleitung schreibt, „arm an Text und reich an
Abkürzungen", aber es ist auch liebevoll gestaltet.
Zahlreiche Beispiele von Buchillustrationen geben
Einblick in die hohe Buchkultur, die in Berlin gepflegt
wurde. Hervorzuheben sind auch das Personenverzeichnis
sowie die Angaben zu Verlagen und Druckereien, die das
Buch zu einem sehr informativen Lexikon der jiddischen
Kulturszene Berlins machen und deren vielfältige
persönliche, politische und ökonomische Verflechtungen
erkennen lassen. Insgesamt hat Kühn-Ludewig eine
bemerkenswerte wissenschaftliche Leistung erbracht,
deren Wert für die weitere Forschung sich zweifellos in
den kommenden Jahren immer wieder bestätigen wird.