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Von einem Buch, das lebt

Claus Stephani

Mihail Sebastian: „Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt". Tagebücher 1935-44. Herausgegeben von Edward Kanterian
München: Claassen 2005
864 Seiten, Euro 26,80.-
ISBN 3-546-00361-6

Es ist ein Buch, das mit den Aufzeichnungen von Viktor Klemperer, Anne Frank oder Primo Levi verglichen werden kann, und doch hat der Autor, ein rumänisch-jüdischer Schriftsteller und herausragender Intellektueller, ein sehr eigenständiges und somit einmaliges Zeitdokument geschaffen: ein Tagebuch, das 1935-1944 unter ständiger existenzieller Bedrohung und Todesangst entstanden ist und vom Überleben in einer Zeit der Repressionen, Deportationen und Vernichtung berichtet, doch auch von Menschlichkeit und Liebe.

Mihail Sebastian (1907-1945), geboren als Josef M. Hechter in der südrumänischen, multiethnischen Hafenstadt Brăila (dt./jidd. Brajla), lebte in Bukarest und verfasste mehrere Romane, Novellen, Theaterstücke und Reiseberichte. Er war auch als Kulturjournalist tätig und ein feinsinniger Essayist und Literaturkritiker. Die Protokollierung alltäglicher Ereignisse am Rande des Krieges und Weltgeschehens und seiner persönlichen Gedanken und Gefühle ließ gleichzeitig ein Werk entstehen, von dem Arthur Miller später sagte: „Dieses Buch lebt, es zeugt von einer Seele voller Menschlichkeit, aber auch von der wachsenden Brutalität des letzten Jahrhunderts."

Erst nach der Wende, die dem Sturz der kommunistischen Diktatur 1990 folgte, konnte Sebastians Tagebuch, 1996, unter dem Originaltitel „Jurnal, 1935-1944" im neugegründeten Bukarester Humanitas Verlag erscheinen. Die nun vorliegende deutsche Ausgabe zum 100. Geburtstag des Schriftstellers wurde vom bekannten, in Oxford lebenden Literaturwissenschaftler Edward Kanterian herausgegeben. Er zeichnet auch – zusammen mit Roland Erb, unter Mitarbeit von Larisa Schippel – für die Übersetzung aus dem Rumänischen.

Den Tagebuchaufzeichnungen, die insgesamt 776 Seiten umfassen, ist ein ausführliches, einleitendes Vorwort vorangestellt. Eine Karte Rumäniens, 1941/42, veranschaulicht einige wichtige Gebietsveränderungen jener Zeit – die Abtretung Nordsiebenbürgens an Ungarn, 1940, die Rückeroberung Bessarabiens, der Nordbukowina mit der Region Harta, 1940, sowie die Okkupation Transnistriens durch die rumänischen Truppen, 1941. Die 641 Anmerkungen im Anhang, eine informative Zeittafel zur Geschichte der rumänischen Fürstentümer und des späteren Rumänien (vom 14. Jh. bis 1947) sowie ein umfangreiches Personenregister (zum Teil mit Hinweisen auf biographische Angaben) machen die Ausgabe zu einem Standardwerk der europäischen Literaturgeschichte.

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