Marschner, Rosemarie: Das Jagdhaus,
Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv), München 2005.
Preis: 14,50 € (D), ca. 15,00 € (A)
ISBN: 3-423-24501-8
"Dieses Kind ist so alt wie der
Krieg", murmelt der Pfarrer bei der Taufe von Antonios
zweitem Kind. Es ist September 1939, und die Familie
Bellago zieht sich zusehends vor dem gerade erst
beginnenden Krieg ins Private zurück – in der Hoffnung,
der „Spuk" gehe bald vorüber. Als jedoch Antonios Eltern
vor der Verfolgung durch den Nationalsozialismus ins
italienische Exil gehen, endet die private Idylle abrupt
und Antonia sieht sich zusehends mit einer Welt
konfrontiert, in der früher oder später jeder Position
beziehen muss. Das gilt für ihren Ehemann, einen
Rechtsanwalt, genauso wie für ihre großbürgerlichen
Schwiegereltern. Doch auch Antonia gerät endgültig ins
Schwanken, als sich ihr ein ungeahntes Familiengeheimnis
offenbart und den sicher gewähnten privaten Rückzugsraum
bedroht, denn ihr Mann hat noch ein weiteres Kind, von
dem sie bis dato nichts wusste: Marie. Und so wagt
Antonia den ersten Schritt zur Selbstkonfrontation und
beginnt sich aus ihrer krampfhaft aufrechterhaltenen
Scheinidylle zu befreien.
Ort der Handlung ist Linz bzw.
Oberösterreich und es ist möglicherweise das größte
Verdienst der Autorin, dass sie dank ihrer ausführlichen
Recherche ein geradezu plastisches Bild der
„Hitlerstadt" zwischen 1939 und 1945 zeichnet, ohne den
Fokus von der Familiengeschichte der Bellagos zu nehmen.
Damit erschließt sich dem Leser ein Stimmungsbild jener
Tage, das keine Helden des Widerstands, sondern das
alltägliche Versagen gegenüber dem Unrecht dokumentiert.
Rosemarie Marschners Roman schließt
teilweise an seinen Vorgänger „Das Bücherzimmer" an und
führt die Geschichte einzelner Figuren fort. Auch in
„Das Jagdhaus" gelingt es Marschner, das einfühlsame
Portrait einer Familie zu zeichnen, die sich dem
Einfluss ihrer Zeit nicht entziehen kann, die aber
letzten Endes an ihren privaten Tragödien zu wachsen
scheint.