POLEN UND JUDEN
Krystyna Tausch
Henryk SZLAJFER:
Polacy i Zydzi. Zderzenie Steretypow. Esej dla
przyjaciól i innych. (Polen und Juden. Der Zusammenprall
der Stereotypen. Essay für Freunde und andere)Warszawa:
Wydawnictwo Naukowe SCHOLAR 2003.
Seiten, mit Namensregister, Zlotys 26,00,-; Euro 6,85,-
ISBN 83-7383-025-1, 128
Aus vielen Zitaten der polnischen
Literatur geht hervor, dass Juden und Polen gemeinsam
gelebt, gearbeitet, aber auch ihre gemeinsame Heimat im
Laufe der Geschichte verteidigt haben. Es gibt andere
Beispiele aus der Literatur, die darauf hinweisen, dass
es leider auch viele Antagonismen gab. Insbesondere die
Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges und der Jahre
danach brachten für Polen, aber besonders für die
polnischen Juden unermessliches Leid, das bis zur
heutigen Zeit Spuren hinterläßt. Dieses Leid, der Umgang
damit, und die Beziehungen zwischen Juden und Polen im
Allgemeinen wurde zum Thema des Buches von Henryk
Szlajfer, einem bekannten polnischen
Sozialwissenschafter und Diplomaten.
Der Autor setzt sich mit dem
viel-dimensionalen und erschütternden Antisemitismus
auseinander. Die starren Strukturen des Denkens und
Handelns spielen leider noch immer eine wichtige Rolle
und bedingen eine Ebene der Nicht-Verständigung.
Um sein Thema besser zu beleuchten,
geht der Autor auf die Ursachen ein, vor allem die Rolle
der katholischen Kirche in Europa, die dem
Antisemitismus den Weg bereitete. Insbesondere im
Mittelalter war in Europa die Verfolgung von Juden an
der Tagesordnung. Ritualmord, Hostienschändung u.s.w.
wurde ihnen vorgeworfen.
Der Autor erwähnt eine wichtige
Information, die oft verschwiegen wird – Papst Pius XI,
der am 10. Februar 1939 verstarb, hat 1938 eine
Enzyklika mit dem Titel „Humani Generis Unitas"
verfasst, die die Katholiken dazu aufrief, den
Antisemitismus abzulehnen und abzulegen. Leider wurde
das Manuskript von seinem Nachfolger Pius XII nicht
vollendet, der die Handschrift ins Archiv bringen ließ.
Der Autor weist darauf hin, dass Rom zum Massenmord an
den Juden geschwiegen hat, und sogar zu den Morden an
den Katholiken und katholischen Priestern im Osten.
So erlitten der polnische Senator
Stanislaw Glabinski, der in der polnischen
Vorkriegs-Republik ein führender antisemitischer
Politiker war, und der liberale Senator und Großrabbiner
Moises Schorr das gleiche Schicksal in den Lagern des
sowjetischen NKWD. Glabinski war ein führender
Funktionär der rechtsradikalen „Endecja", er
wurde 1943 Opfer der politischen Verfolgung durch
die Sowjets. Rabbi Schorr wurde vom NKWD Juli 1941
ermordet. Ihr gemeinsamer Tod brachte die Menschen bis
heute nicht näher.
Das Buch bringt eine Fülle von
Informationen und Hinweisen und lädt auch zur weiteren
Reflexion und objektiven Recherche ein, indem es viele
nicht nur historische, sondern auch soziologische,
psychologische, und auch menschliche Argumente
präsentiert:
Erstens wird das Zusammenwirken des
NS-Regimes und der sowjetischen Besatzungsmacht und
vieler Kollaborateure ab 1939 bis 1941 aufgezeigt.
Zweitens kommen Verbrechen zur
Sprache, die polnische Kollaborateure während der
Besetzung Polens an Juden begangen haben. Das
bekannteste derartige Verbrechen geschah in Jedwabne,
das im östlichen, 1939 von der Sowjetunion besetzten
Teil Polens lag. Als Hitlerdeutschland am 22. Juni 1941
die Sowjetunion überfiel, ermordeten polnische
Dorfbewohner am 10. Juli 1941 hunderte jüdische
Bewohner. Bei der Gedenkfeier des polnischen Staates für
die Opfer von Jedwabne am 60. Jahrestag des Pogroms, an
der der damalige Staatspräsident Alexander Kwasniewski
und der Botschafter Israels teilnahmen, ließen die
lokalen katholischen Geistlichen des Ortes aus Protest
die Kirchenglocken läuten, weil sie jegliche polnische
Verantwortung für diese Morde ablehnten.
Drittens werden auch die
antisemitischen Verfolgungen, Schikanen und Pogrome der
Nachkriegszeit in Polen ausführlich behandelt, etwa der
Pogrom von Kielce im Jahr 1946. Insgesamt wurden ca.
1.500 Juden in Polen in der unmittelbaren Nachkriegszeit
Opfer derartiger Ausschreitungen. Zu den Pogromen in
Kielce erhoben von katholischer Seite lediglich der
Bischof von Czestochowa, Teodor Kubina, und die
Journalistin der katholischen, von Karol Wojtyla
begründeten Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny",
Stefania Skwarczynska, Protest.
Bis zum Jahr 1947 emigrierten aus
Polen 200.000 Juden. Angesichts des veränderten
Spektrums in politischer, ökonomischer und sozialer
Hinsicht hatten sich alle am Aufbau der neuen Heimat
beteiligt, auch die überlebenden Juden. Das war vielen
Polen ein Dorn im Auge, insbesondere wenn Juden eine
wichtige Rolle in kommunistischen Institutionen
spielten, obwohl sie nur eine Minderheit darstellten. So
kam es zu Schikanen, zur Abstempelung der Juden als „Zydokomuna",
„Zydoubek" (Wortspiel – „Zyd" = Jude, „Oubek"
von UB = Sicherheitsdienst), zu Verfolgungen und auch
Morden. Die Situation wurde unerträglich. So blieb Polen
weitgehend ohne Juden.
Der Autor schreibt dieses Buch mit
Engagement und stellt viele Fragen, um gemeinsame
Lösungen zu finden. Das Buch ist wichtig für uns alle.
Es bewegt uns zum Nachdenken und Mitfühlen. Ein guter
Beitrag zu einer besseren Zukunft.
http://www.scholar.com.pl
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