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Frauen und Frauenbilder in der europäisch-jüdischen Presse

Michaela Raggam-Blesch

Eleonore Lappin und Michael Nagel (Hg.): Frauen und Frauenbilder in der europäisch-jüdischen Presse von der Aufklärung bis 1945. Bremen: edition lumiere 2007.
287 Seiten, Euro 39,80.-
ISBN: 978-3-934686-5

Der vorliegende Tagungsband löst ein Forschungsdesiderat innerhalb der jüdischen Presseforschung ein, indem er sich über einen Zeitraum von 160 Jahren Frauen und Frauenbildern innerhalb der jüdischen Presse widmet und damit sowohl Journalistinnen als auch die weibliche Leserschaft in den Blick nimmt, sowie deren Repräsentation innerhalb des Mediums.

Die Publikation basiert auf Vorträgen der im Juli 2004 in Wien abgehaltenen 14. internationalen Sommerakademie, die unter Zusammenarbeit des Institutes für Geschichte der Juden in Österreich und des Institut für Deutsche Presseforschung an der Universität Bremen organisiert wurde. Die Beiträge behandeln einen Zeitraum, der sich von der Gründung des hebräischen ha-Me-assef im Jahre 1783 bis zur frauenspezifischen Berichterstattung des New Yorker Aufbau während der NS-Zeit bis 1945 erstreckt. Dabei konnte mit den in diesem Rahmen untersuchten Zeitschriften und Periodika sowohl ein weiter geographischer Rahmen (USA – Europa – Palästina) als auch eine dementsprechende Vielfalt an Sprachen berücksichtigt werden, da neben der hebräischen, jiddischen und deutschen Presse auch russische, ungarische und polnische Medien besprochen werden, die Ansätze eines transnationalen Vergleiches ermöglichen.

Die Gründung, Herausgabe und Redaktion jüdischer Periodika im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert war – wie Johannes Valentin Schwarz treffend formuliert - wie so vieles andere „reine Männersache", sodass die Beteiligung von Frauen innerhalb der jüdischen Pressegeschichtsforschung erst sichtbar gemacht werden muss. Die Frauen hinter den als Herausgeber und Autoren fungierenden Männern, die deren Tätigkeit durch ihre Unterstützung erst ermöglichten, werden ebenso zur Sprache gebracht wie Korrespondentinnen, Subskribentinnen und die weibliche Leserschaft. Diese wurde nach 1800 als erklärtes Zielpublikum deutschsprachiger jüdischer Periodika entdeckt und in Folge zum Objekt reformorientierter Bildungs- und Erziehungsprogramme, welche vor allem in der 1806 in deutscher Sprache erscheinenden Zeitschrift Sulamith zum Ausdruck kamen. Mit der vermehrten Verbreitung wissenschaftlicher Periodika ab den 1820er Jahren geriet die weibliche Leserschaft jedoch einmal mehr ins Abseits.

Wie Luise Hecht anhand ihrer präzisen Darstellung aufzuzeigen versteht, wurden Frauen innerhalb der frühen Haskalah Presse als Leserschaft allein aufgrund der sprachlichen Vorgaben ausgeschlossen, da die Verwendung der modernisierten hebräischen Sprache im Meassef als Teil der religiösen und kulturellen Erneuerung des Judentums nur der gebildeten männlichen jüdischen Gesellschaft verständlich war. Damit perpetuierten die Maskilim jedoch auch die sozialen Grenzen der traditionellen jüdischen Gelehrtenschicht, von der sie sich zu emanzipieren bestrebt waren.

An der Wende zum 20. Jahrhundert wurden die weibliche Bildung und die Rolle der Frau wiederum verstärkt zum Thema innerhalb der jüdischen Presse. Zu einem Zeitpunkt, als Frauen vermehrt selbstbestimmt agierten, beschwor man Bilder traditioneller jüdischer Frauen, die einen Idealzustand repräsentierten, der Frauen wieder auf ihre „natürliche Bestimmung" verweisen sollte. Alison Rose zeigt dabei auf, dass integrierte jüdische Frauen in weiterer Folge zu Sündenböcken für kulturell-gesellschaftliche Entwicklungen einer weitgehend säkularisierten jüdischen Gesellschaft wurden. Die zur Jahrhundertwende verbreitete Verbindung zwischen antisemitischen und frauenfeindlichen Stereotypen wurde dabei zum Teil auch von jüdischen Männern rezipiert und internalisiert.

Im Zionismus wurde das Ideal der Hausfrau und Mutter trotz der zum Prinzip erhobenen egalitären Ausrichtung ebenfalls weiter festgeschrieben. Malgorzata Maksymiak-Fugmann analysiert den Widerspruch zwischen den als Pionierinnen tätigen Frauen und dem Ideal der „Mutter und Erzieherin der neuen Nation" anhand der in sechs Sprachen erschienenen Frauenzeitschrift bat ami, die in Palästina/Erez Israel der 30er und 40er Jahre redigiert wurde. Anhand der Ost/West Dichotomie wurden Jüdinnen osteuropäischer Herkunft zu Pionierinnen stilisiert, während die Rolle der „Mütter der Nation" den westlich akkulturierten Frauen oblag.

Im Beitrag von Dieter Hecht über Journalistinnen der österreichisch-jüdischen Presse wird deutlich, dass jüdische Frauen sich in der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg in vielen bisher von Männern dominierten Bereichen engagierten und auch ein neues Frauenbild propagierten. Im Zuge der politischen Entwicklungen der 1930er Jahre wurden Frauen jedoch wieder aus der Öffentlichkeit verdrängt und blieben innerhalb des jüdischen Pressewesens eine marginale Erscheinung.

Weitere Beiträge widmen sich der jüdischen Frau in der ungarischen Presse (Brigitta Eszter Gantner), den Journalistinnen der Prager Selbstwehr (Miroslava Kyselá), der polnischsprachigen zionistischen Frauenzeitschrift Ewa (Katrin Steffen), den Zeitschriften der deutschsprachigen Jugendbewegung Anfang und Jerubbaal (Eleonore Lappin) sowie der politischen Aktivistin, Erzieherin und Journalistin Ester Frumkin (Susanne Marten-Finnis) und dem Bild Else Lasker-Schülers in der jüdischen Presse (Stefanie Leuenberger). Auch Fragen zu Mutterschaft und Kreativität am Beispiel dreier jiddisch schreibender Dichterinnen (Esther Jonas-Märtin) und der Diskurs um die weibliche Sexualität im Zusammenhang mit der sinkenden jüdischen Geburtenrate (Claudia Prestel) werden eingehend untersucht.

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde die jüdische Presse mit neuen Aufgaben konfrontiert, die in den Beiträgen von Michael Nagel zu Jugendbeilagen der Jüdischen Rundschau und der CV-Zeitung sowie jenem von Martina Steer zum Fortsetzungsroman Bertha Badt-Strauss im Israelitischen Familienblatt aus dem Jahr 1936 zum Ausdruck kommen. Die Analyse der Annoncen und Beiträge im New Yorker Aufbau, welche die Lebensumstände der in der Emigration lebenden Frauen verdeutlicht (Lothar Mertens), bildet den gelungenen Schlusspunkt dieses Tagungsbandes.

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